Von Günter Bannas
Anhänger von Markus Söder ziehen Vergleiche. Mit Helmut Schmidt, weil und wie er als junger Hamburger Innensenator 1962 die Flutkatastrophe bewältigt habe – mit dem von ihm veranlassten Einsatz der Bundeswehr. Aus solchem Holz, so die These, seien Kanzler „geschnitzt“. In Krisenfällen beweise sich der Anführer. Vorangehen. Nicht zaudern. Doch mit Legenden muss aufgeräumt werden. Schmidts Ruf lebt auch von seiner Entscheidungsfreude 1962. Kanzler aber wurde er, zwölf Jahre später, nachdem Willy Brandt an sich selbst und der Guillaume-Affäre gescheitert war. Gerhard Schröders Wiederwahl 2002 zum Kanzler hatte auch mit seiner Tatkraft während der Oderfflutkatastrophe zu tun. Vor allem aber mit seinem Nein zur Beteiligung Deutschlands am Krieg im Irak und dem vielfachen Versagen des CDU/CSU-Kandidaten Edmund Stoiber.
Söder steht derzeit in Umfragen bestens da. Er scheint Durchsetzungskraft geradezu zu verkörpern. Doch wenn diese Krise erst einmal ausgestanden ist, kann auch Behutsamkeit wieder gefragt sein. Dann kann der Vorwurf lauter werden, der CSU-Chef halte sich nicht an Absprachen. Die Kehrseite des Voranschreitens ist der Alleingang. Zwei Konzeptionen ringen miteinander: Der Ruf nach dem „starken Mann“ versus der nach Ausgleich und Kompromiss. Die nächste wichtige Wahl in Deutschland steht erst in zwölf Monaten an. Ob die Wahlen zu den Gemeinderäten in Bayern vor zwei Wochen ein Signal waren? Die CSU verlor mehr als fünf Prozentpunkte und schnitt so schlecht ab wie seit 1952 nicht mehr.
Im Strom wechselt man die Pferde nicht, ist auch so eine Weisheit. Angela Merkel ist zur informellen CDU-Parteivorsitzenden aufgestiegen, zumal die Nachfolge ihrer Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer erst einmal vertagt wurde. Die Fernsehansprache der Kanzlerin wurde von Freund, Feind und Medien einvernehmlich gewürdigt. Wie gut es sei, sie im Kanzleramt zu wissen, sagen selbst ihre Kritiker, fast als ob Merkel nächstes Jahr doch noch einmal bei der Bundestagswahl antreten müsste. Doch noch sind die Folgen und Nebenwirkungen der zur Krisenbewältigung gefassten Beschlüsse nicht absehbar. Zu erinnern ist auch an den britischen Premierminister Winston Churchill. Der hatte, als Kriegsheld gefeiert, das Vereinigte Königreich durch den Zweiten Weltkrieg geführt. Zwei Monate nach Kriegsende verloren Churchills Tories die Wahlen zum britischen Unterhaus.
Günter Bannas ist Kolumnist des HAUPTSTADTBRIEFS. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus “DER HAUPTSTADTBRIEF AM SONNTAG in der Berliner Morgenpost”, mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion. © DER HAUPTSTADTBRIEF
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