Wenig beachtet von der medialen Öffentlichkeit fand in Bonn einer der ersten oder sogar der Strafprozess gegen Mehrwertsteuerbetrug statt, indem es um die sogenannten “Cum/Ex”-Tricksereien ging.
Soweit ich das begriffen habe, handelt es sich um die mehrfache Rückforderung von Kapitalertragssteuer die bei bestimmten Finanzgeschäften gegenüber den Finanzämtern geltend gemacht wurden, obwohl diese Kapitalertragssteuer zuvor tatsächlich nur einmal bezahlt worden war. In Bonn vor Gericht standen zwei britische Aktienhändler. Wie diese Betrügerei funktionierte, hat die Tagesschau dankenswerterweise in einer Graphik veranschaulicht https://www.tagesschau.de/multimedia/bilder/cum-ex-deals102.html .In Bonn vor Gericht standen zwei britische Aktienhändler. Wie diese Betrügerei funktionierte, hat die Tagesschau dankenswerterweise in einer Graphik veranschaulicht.
Wer sich näher damit befassen möchte, dem empfehle ich ein Interview mit einem Insider auf Youtube.
Der Strafprozess vor dem Landgericht Bonn dauerte von September 2019 bis April diesen Jahres. Den beiden Angeklagte wurde vorgeworfen, den Staat zwischen 2006 und 2011 um 447,5 Millionen Euro betrogen zu haben. Bundesweit ermitteln Staatsanwälte gegen mehr als 400 weitere beschuldigte Banker, Aktienhändler, Steuerexperten und Gutachter. Seit 2019 ist in zahlreichen deutschen Medien vom „größten Steuerskandal in der Geschichte der Bundesrepublik“ die Rede. Die Täter waren international tätig, für Deutschland allein wird der insgesamt durch Cum-Ex entstandene Steuerschaden in zweistelliger Milliardenhöhe beziffert.
Involviert war auch die Warburg Bank, die aber vor “Nachstellungen” des Staates und insbesondere der Hamburger Steuerbehörden durch den damaligen Hamburger Ersten Bürgermeister Olaf Scholz geschützt wurde. Scholzens Rolle in dem Cum/Ex-Skandal wurde bisher nicht aufgeklärt. Es waren die Bonner Richter, die Hamburg vor vor Millionenverlusten bewahrt haben. Dabei war auch der Hamburger Finanzbehörde seit Jahren bekannt, dass die Transaktionen von Warburg ohne bewusste Cum/Ex-Gestaltung überhaupt keinen Sinn gemacht hätten.
Der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion, Fabio De Masi, hat bereits während seiner Zeit als Europa-Abgeordneter die Tricks der Banken genau verfolgt. Er kommentierte das Bonner Urteil: “Die Entscheidung jetzt Steuernachforderungen für alle Jahre zu stellen, in denen Warburg die Steuerzahler mit kriminellen Cum/Ex Deals abgezockt hat, dient daher der Gesichtswahrung. Sonst hätte Nordrhein-Westfalen die Vermögensabschöpfung eingeleitet.” Mit dem von Hamburg ins Feld geführten “warten auf Rechtssicherheit” hatte diese Entscheidung nach Ansicht des Linken Bankenkenners nichts zu tun. Denn als Hamburg 2016 viele Millionen Steuergelder in die Verjährung laufen ließ, sei noch unbekannt gewesen, ob sie durch das Strafrecht zurückgeholt werden könnten. Hamburg habe zudem bis zuletzt versucht, einen Deal mit Warburg zu machen, der für die Bank billiger gekommen wäre.
Fabio De Masi: “Die Rolle des früheren Bürgermeisters und jetzigen Finanzministers Olaf Scholz ist bis heute nicht geklärt und wird vom Finanzausschuss des Bundestages in geheimer Sitzung weiter untersucht werden. Denn Herr Scholz soll sich in seinem Treffen mit Warburg Bankier Olearius – gegen den strafrechtlich ermittelt wurde – laut dessen Tagebucheintrag die Sichtweise zu Eigen gemacht haben, die Deutsche Bank werde auf Kosten der Warburg Bank geschont. Das ursprüngliche Votum des Finanzamts, Warburg härter anzufassen, wurde von der Finanzbehörde und damit von oben außer Kraft gesetzt. Der Hamburger Senat musste 2017 erst durch Anweisung von Wolfgang Schäuble daran gehindert werden, eine erneute Verjährung von Steuerforderungen gegen die Warburg Bank zuzulassen.“
In Medienberichten und auch von De Masi wird der ehemalige Frankfurter Steueranwalt und ehemals “ranghöchster Steuer-Bankprüfer in Hessen”, Hanno Berger, als der “Architekt” der Cum/Ex-Betrügereien bezeichnet. Berger hat nach Ansicht De Masis “hohe kriminelle Energie an den Tag gelegt.” Er, so Fabio de Masi, sei gespannt, “ob der Vizepräsident des Bundestags, Wolfgang Kubicki (FDP), Berger vor Gericht verteidige.” Zwar hat jeder einen Anspruch auf einen Anwalt und kann diesen frei wählen. Aber so de Masi: “es wäre aber ein Interessenkonflikt, wenn ein hoher Repräsentant des Parlaments Berger vertritt. Denn Kubicki und die übrigen Anwälte Bergers haben Finanzbeamte angezeigt, die in Sachen Cum/Ex ermittelten. Das ist ein Schlag ins Gesicht unserer Steuerfahnder.”
Einen Schock in der Finanzbranche löste die Verhaftung eines Frankfurter Anwalts der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer am 22. November 2019 aus, der wegen Fluchtgefahr bis kurz vor Weihnachten in Untersuchungshaft saß, und anschließend von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt wurde. Er gilt als Schlüsselfigur und ist in die Insolvenz der Maple Bank verwickelt, die den Strafverfolgern zufolge mit Cum-Ex-Geschäften in Deutschland Steuern in Höhe von rund 383 Millionen Euro hinterzogen hat.
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