Beueler-Extradienst

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Der Ausnahmezustand könnte zur Regel werden

Und Fußball wird virtuell
Es wäre zum lachen, wenn es nicht ernst wäre. Die globale Politik reagierte auf die Entdeckung und Ausbreitung des Covid-19-Virus zunächst mit einer Mischung aus Panik und Kontrollwut. Gibt es Gegenmittel, Impfung? Ist das Virus weg? Trotzdem wird ebenso global nun eine imaginäre “Rückkehr in die Normalität” propagiert. Das könnte eine Mischung aus mittlerweile erledigter Kapitalvernichtung, Ableben von Alten und Schwachen, und wachsendem Druck malträtierter Menschen, die ihre Lebensgewohnheiten zurückhaben wollen, sein. Jedenfalls hat es nichts mit dem Virus zu tun.
Wie durch ein Brennglas spielt es hierzulande das Fußballbusiness vor. Noch im Februar/März musste eine Kölner Freundin in 2-Wochen-Quarantäne, weil sie an einer WDR-Rundfunkratssitzung teilgenommen hatte, in der zwei Sitze entfernt auch eine positiv getestete Person gesessen hatte. Beim 1. FC Köln gilt dieses Prinzip – zuständig ist das gleiche Gesundheitsamt – plötzlich nicht. Für körperlose Spielweise ist der FC nicht bekannt, Zweikämpfe mit engstem Körperkontakt und millionenfachem Austausch von Schweisstropfen ist Alltag im Fußball, sofern er noch nicht virtuell ist (s.u.).
Die gleichen Politiker*innen, die uns zwei Monate eingesperrt haben, werden nun mit “Geisterspielen” die Simulation von “Normalität” erlauben wollen. Weil die Kapitalzirkulation wieder gestartet werden muss. Mit den individuellen Grundrechten, die dafür nicht erforderlich sind, kann noch ein paar Monate (oder Jahre, je nach Impfstofferfindung) gewartet werden. Gewählt werden soll trotzdem, wie ich beim Bonner OB im Anzeigenblatt “Schaufenster” – ich legte es gerade als Fundament in meinen Kompostmülleimer – im vorbeigehen gelesen habe. Denn die Dienstleistung der Politik für die Kapitalzirkulation darf halt auch nicht unterbrochen werden.
Wenn Sie mir in diesem Blog hinterherlesen, wissen Sie, wie sehr ich den Shutdown/Lockdown für mich und meine Grundrechte kritisiere. Gestern erst habe ich auf die unbeachteten Kinderschicksale hingewiesen. Das wurde alles nicht mitbedacht. Weil es bei den Herrschenden kein Wissen über den Alltag der Mehrheit der Menschen gibt. Ihre beratenden Naturwissenschaftler*innen sind damit ebensowenig befasst.
Jetzt mit einem hörbaren öffentlichen Aufatmen Kitas und Schulen zu öffnen, wird mit gewohnter Inkompetenz vorangetrieben, mag einerseits dringend lebensnotwendige Sozialkontakte wiederbeleben, senkt die Virusgefahren aber in keiner Weise. Es ignoriert sie. Weniger für die Kinder selbst, als für ihre Grosseltern und vorerkrankte Familienangehörige.
Bernd Scherer/FAZ hats im Wissenschaftsressort des Organs der herrschenden Klasse lesenswert erklärt: Viren gehören zum Leben auf der Erde, seit es existiert. Sie lassen sich Virus für Virus aufwendig erforschen. Aber zur Koexistenz mit ihnen gibt es für Menschen keine Alternative. “Kriege” gegen sie sind selbst nur eine Simulation. Diese Erkenntnis dringt nur langsam ins öffentliche Bewusstsein durch. In der Zwischenzeit wird es auf der Basis der massenhaften Unkenntnis als Instrument für widerlichste Demagogien unterschiedlichster Prägung eingesetzt.

Die Fußballoligarchie erledigt sich selbst
Mann muss ja auch das Positive sehen. Die Wirrköpfe, die in den nächsten Wochen den Geisterspielbetrieb durchziehen werden, schaffen damit die Grundlage zu ihrer eigenen Abschaffung. Sie trennen den Volkssport von jeglicher Art von Volk. Was übrig bleibt, das Entertainment, das lässt sich auch ohne Menschen organisieren: als globaler Wachstumsmarkt für E-Sport, der in manchen Bundesligakonzernen als Abteilung längst eingezogen ist. Was als Digitaleffekt in der Filmbranche ein technologisch alter Hut ist, wird im Fußballentertainment nun einen fetten Schub bekommen, und die vermarktenden Medienkapitalinteressen werden darauf fliegen. Dann kann ein Pelé-Avatar von 1958 dem Loddar Matthäus von 1990 Knoten in die Beine spielen, dass es eine Freude ist. Die Spieler, die jetzt noch in den Gladiatorenkampf der Infektionsherde geschickt werden, und privat selbst oft daddelsüchtig sind, ahnen es bereits und werden da mehr drüber wissen, als die meisten von uns Fans.
Da auch die meisten Amateurvereine im Rahmen des herrschenden Kapitalismus ihre Insolvenz kaum vermeiden können, geht der echte Fußball, also der mit Bällen und Menschen, dann irgendwann und irgendwo wieder von vorne los. Jedenfalls sobald das Bewegen und Berühren von Menschen wieder erlaubt wird. Wann? Wüsste ich auch gerne.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. E. Becker

    Die “FAZ” als “Organ der herrschenden Klasse”, ist das nicht auch Demagogie, Herr Böttger?

    • Martin Böttger

      Immerhin hat es Sie nicht verführt. Ist halt eine alte Hassliebe von mir. Etliche dort lohnabhängig Beschäftigte schätze ich sehr. Ich verlinke ausgiebig im Guten wie im Schlechten zur FAZ, wie Sie in der Schlagwortwolke sehen können. Dadurch können sich die Extradienst-Leser*innen letztendlich wunderbar eine eigene Meinung bilden, wie ich das auch bei allen meinen Texten empfehle 😉

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