mit Update 16.6. vormittags und nachmittags
Publikum ist halt zu doof
Durch das Absenden chinesischer Propaganda könnte unsere Demokratie akut gefährdet werden. Selbst wenn nur 2,5% sowas ausgesetzt wären. Es würde sich sicherlich schlimmer verbreiten als ein unbekanntes Virus. Und dann übernimmt die Gelbe Gefahr hier alles.
Ich bin kein Freund staatlicher Propagandamedien. Meistens sind sie mit eher schlechtem – weil feigem, gehorsamem, “eingebettetem/embedded” – Journalismus verbunden. Das mag ich nicht. Obwohl: schon als es die Sowjetunion noch gab, wollte ich doch manchmal wissen, was deren Position ist, und griff doch dazu. Da ich meistens wusste, “woher das kam”, war ich mir verhältnismässig sicher, dass mir das keinen Schaden zufügte. Die ARD u.v.a. vollkommen interessenfreie, objektive Organisationen und Medien sind da entschieden besorgter um Sie und mich.
Darum hat die ARD heute einen für 23 h vorgesehenen Film, den die Firma Gebrüder Beetz für den SWR produziert hat (das ist der Sender, dem der ehemalige Tagesschau-Boss Gniffke jetzt als Intendant vorsitzt, der, der gerne und immer wieder auch AfD-Einladungen nachkommen will) aus dem Programm genommen. Gestern um diese Tageszeit glotzten weniger als 2 Mio. ARD (gestern waren das die “Tagesthemen”). Deren politische Bildung wäre also verdorben worden, wenn sie chinesisches Bildmaterial über die Bewältigung der Covid-19-Pandemie in Wuhan fahrlässig angesehen hätten.
Ich habe den Film (noch) nicht gesehen. Ob er schlecht war? Keine Ahnung. Ich hätte mir meine Meinung darüber nur gerne selbst gebildet. Jetzt, nach dem Wind darum, noch mehr als zuvor. Jetzt bleibt der Eindruck, dass “unser” öffentlich-rechtliches Medium von einer Bande von Feiglingen geführt wird. Was wäre von denen zu erwarten, wenn mal was wirklich Gefährliches im Anmarsch wäre? Ist mir schlecht …
Wie unwitzig, auf diese Art staatliche Propaganda bekämpfen zu wollen. Die Welt ist voll davon. Es ist auch nicht verboten, weil es dafür gar keine Machtmittel gibt. Ein öffentliches Medium macht sich dadurch “lediglich” zum Idioten. Und China wäre ganz schön blöd, wenn es angesichts solcher Bedingungen nicht europäischsprachige Medien aufbaut, wie es Russland (RT, Sputnik etc) und Deutschland (Deutsche Welle) schon längst getan haben. Sowas wird “Politik” genannt. Staatsbürger mit einer Verfassung wie dem Grundgesetz sind dagegen nicht wehrlos. Solange sie nicht so doof sind, wie sie die ARD-Häuptlinge halten.
Update 16.6.: ausführlicher als ich die journalistische Grundsatzfragen abwägend: René Martens in der MDR-Altpapier-Kolumne.
Update nachmittags: überlagert wird diese Debatte von geopolitischen Interessen und Tendenzen, die Peter Nowak/telepolis benennt. Wenn der das kann, kann es nicht so schwer sein. Die meisten publizistischen Kombattant*inn*en ignorieren das aber, weil sie es entweder nicht wissen (wollen), oder – was noch schlimmer wäre – weil sie es ganz genau wissen. Damit machen sie sich zu einem allzu billigen journalistischen Instrument der Politik (“embedded”). Brauchen Sie sowas? Ich nicht. Wir bezahlen es aber.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net