von María Elena Herrera Amaya
Urbane indigene Gemeinschaften – Kämpfe um Rechte und Anerkennung am Beispiel der mixtekischen Gemeinde in San Luis Potosí

Angesichts der wachsenden Präsenz indigener Bevölkerung in lateinamerikanischen Städten sind deren Kämpfe um Anerkennung hochaktuell. Ihr städtisches Leben bewegt sich zwischen Inklusion und Ausschluss, und das vor dem Hintergrund, dass die Städte immer schneller wachsen und dort die Konkurrenz um Ressourcen und Räume zunimmt. Mittlerweile gibt es nicht mehr nur in Mexiko-Stadt oder großen Städten wie Guadalajara oder Monterrey urbane indigene Ansiedlungen; vielmehr handelt es sich um ein allgemeines Phänomen in den Städten in ganz Mexiko und Lateinamerika.
Viele anthropologische Forschungen haben die indigenen Kämpfe um Rechte in Mexiko und Lateinamerika aufgezeigt. Die „Waffe“ der Indigenen war dabei ihre Ethnizität; aber sie galt zunächst nur für die ländlichen Gebiete, wo sich die Gemeinschaften sehr gut organisiert und für spezifische Anliegen eingesetzt hatten: Territorium, natürliche oder kulturelle (etwa sprachliche) Ressourcen. Sie beschränkten sich auf lokale Kämpfe, die „legitimerweise“ als „ethnisch“ anerkannt gelten. Und deswegen können die wegen ihrer Ethnizität „legitimen“ Akteur*innen auch ihre Räume und die Zugehörigkeit dazu einfordern – allerdings ohne die Garantie, dass diese Forderungen auch erfüllt werden.
Wenn schon in diesen ländlichen Räumen, mit ihren langen kollektiven Erfahrungen, der Kampf um Rechte kompliziert ist, so wirft die Situation der indigenen Gruppen im urbanen Raum eine Reihe von weiteren Fragen auf: Was geschieht mit jenen Gemeinschaften, die „deterritorialisiert“ sind, sich also (weit) entfernt von ihren „angestammten“ Territorien in Städten niedergelassen haben? Wie sehen die Kämpfe um kollektive Rechte aus, wenn sie außerhalb der ursprünglichen Orte der indigenen Gemeinden geführt werden? Wie nutzen die indigenen Gemeinschaften im urbanen Kontext ihre Ethnizität für Verhandlungen? Und was erreichen sie mit ihren Forderungen in einem Raum, den sie „illegitimerweise“ für sich beanspruchen?

Kampf um Legitimität

Für die indigenen Gemeinden, die sich in Metropolen niederlassen, bedeutet der beständige Kampf um Anerkennung, mehr noch als die rechtliche Anerkennung, einen Kampf um Legitimität: dass sie das Recht bekommen, als Teil der Städte anerkannt zu werden, in Räumen also, die von jeher als Gegenteil zu allem Indigenen betrachtet worden sind. Der Disput in den Städten wird dort ausgetragen, wo das Aufenthaltsrecht verhandelt wird, das Überleben und der Zugang zu Wohnraum, Arbeitsplätzen, das Recht auf Bildung und Gesundheitsversorgung. Um diese Rechte wird gerungen, wobei die Ethnizität als Begründung für den Zugang angeführt wird. Allerdings müssen sie im Gegenzug dafür als folkloristische Gestalten auf Märkten, in Werkstätten, bei Karnevalsumzügen und anderen Kulturevents herhalten. Diese städtischen indigenen Gemeinschaften sind also darauf konditioniert, ein ideales Subjekt im Rahmen der staatlichen Kulturpolitik darzustellen.

Die mixtekische Gemeinde in San Luis Potosí, eine Stadt im nordwestlichen Zentrum Mexikos, deren Großraum gut eine Million Einwohner*innen umfasst, besteht aus einer Gruppe von etwa 24 Familien. Sie stammen ursprünglich aus dem Ort San Andrés Montaña im Bundesstaat Oaxaca. Diese Familien gelangten nach San Luis Potosí Anfang des 21. Jahrhunderts, nachdem sie zunächst der Migrationsroute nach León (Guanajato), Guadalajara (Jalisco) und Monterrey (Nuevo León) gefolgt waren; diese Städte waren jedoch alle bereits überfüllt. Sie widmen sich dem Verkauf von Kunsthandwerk aus Palmblättern.
In einem Interview erzählt Laureano Mendoza, Vertreter der mixtekischen Gemeinschaft in San Luis Potosí, die Geschichte der Gemeinde: „Unsere Eltern litten sehr, schließlich sprachen sie kein Spanisch, sie konnten sich nicht einmal verteidigen oder mit den Leuten kommunizieren, noch nicht einmal ‚ja‘ oder ‚nein‘ sagen. Sie litten sehr, weil sie die ersten waren. Sie konnten nicht viel arbeiten, denn in der Stadt gibt es Regeln, man muss um Erlaubnis bitten. Für uns als Jugendliche war es anfangs ähnlich, sie diskriminierten uns, weil wir kein Spanisch sprachen, sie nahmen uns die Sachen weg ohne eine Erklärung. Wir hatten von nichts eine Ahnung, so mussten wir alles erst lernen“.

“Ethnie” als Instrument

Seitdem in den 1960er/70er-Jahren eine – in dem Ausmaß nie zuvor dagewesene – Migration vom Land in die Stadt eingesetzt hatte (aufgrund der Industrialisierung in den Städten und den schwieriger werdenden Bedingungen auf dem Land), sind sowohl Migration als auch städtische Niederlassungen zu den wichtigsten Mitteln des Überlebenskampfes geworden. In den Städten haben die indigenen Ansiedlungen dazu geführt, dass Verhandlungsstrategien neu gedacht und organisiert werden.
Seitdem multikulturelle Politikansätze ein fruchtbares Terrain für die Diskussion um die Kollektivrechte der indigenen Gruppen eröffnet haben, dient die Kategorie „Ethnie“ als Instrument, um den Zugang zu bestimmten Ressourcen zu erhalten und um die Anerkennung von Kollektivrechten zu verhandeln. Als ich im September 2012 das erste Mal die CDI, die „Nationale Kommission für die Entwicklung der Indigenen Bevölkerung“ (1) von San Luis Potosí im Rahmen meiner Forschung zur indigenen Bevölkerung im urbanen Raum besuchte, stieß ich auf mehrere Beamte, die mir ein Bild von den dortigen Mixtek*innen als geschickte Verhandlungsführer*innen entwarfen, die immer, wenn sie im Büro vorstellig werden, „das Indigenen-Gesetz unter dem Arm hervorholen“.
Francisco Talavera, der eine Studie zur mixtekischen Bevölkerung von Guadalajara durchgeführt hat, berichtet, dass sich der Großteil ihrer Organisation in den letzten Jahren darauf konzentriert habe, „Projekte bei staatlichen und zivilgesellschaftlichen Instanzen durchzuführen.“ Ein Beispiel dafür sei ihre Teilnahme an einem Projekt der Stadt gewesen, wo sie auch als Sprecher für andere ethnische Gruppen aufgetreten seien.

Sie sind Teil der Stadt – Ethnizität als Ressource

Als indigene städtische Gemeinde gilt also eine Art von sozialer Organisierung indigener Gruppen, die sich im städtischen Raum niedergelassen haben, die sich selbst kollektiv vertreten und die dabei einen Diskurs führen, der ihre Ethnizität hervorhebt und dabei sowohl identitäre als auch politische Ziele verfolgt. Dieses Organisationsmodell ist auf das urbane Leben ausgerichtet, es ist keine Kopie des Soziallebens in der Ursprungsgemeinde. Denn obwohl es passende Räume für bestimmte kollektive Praktiken schafft, etwa für das Großziehen der Kinder, für Festivitäten, für die Praxis und den Erhalt der Sprache, ist die Dynamik eine andere – sie sind Teil der Stadt und entwickeln sich dort weiter.
Diese mixtekische Gemeinde wird von einer Gruppe von Vertretern organisiert, alles Männer zwischen 30 und 50 Jahren, die Familie haben und Spanisch sprechen. Sie sind dafür zuständig, über die Anliegen der Gemeinde mit den Institutionen zu verhandeln; gleichzeitig fungieren sie als Übersetzer für den Ältestenrat, der sich aus betagten Männern und Frauen der Gemeinde zusammensetzt, die alle nur einsprachig sind, deren Stimmen aber großes Gewicht bei den Entscheidungen der Gemeinschaft haben.
Als die mixtekischen Familien nach San Luis Potosí gelangten, waren sie bereits organisiert, allerdings nicht nach formalen, legalen oder institutionellen Kriterien, sondern aufgrund starker ethnischer Selbstzuschreibung und entlang bereits existierender Migrationsnetzwerke. In San Luis Potosí präsentierten sie sich als ziviler Verein mit dem Namen „Für die Mixteken-Gemeinschaft in San Luis Potosí“. Sie eröffneten sogar ein Vereinslokal und setzten entsprechende Vertreter ein, die den Richtlinien der meisten Sozialprogramme entsprechen: Vorsitzender, Schriftführer und Beisitzer. Auf diese Art und Weise hatten sich auch schon frühere Generationen in Städten wie Monterrey oder Guadalajara organisiert, bevor das Paradigma des Multikulturalismus zu greifen begann.
Das Vereinsmodell hat jedoch zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht die erwarteten Resultate gebracht, weswegen sie sich stattdessen als eigenständig definierte indigene Gemeinschaft organisierten, um ihre Ziele innerhalb der kulturpolitischen Programme, die für die „indigenen Gemeinden“ vorgesehen sind, zu erreichen.
Mit anderen Worten: Diese mixtekische Gemeinde ist keine Erfindung, die erst in der Stadt aufgekommen ist, die ethnischen Verbindungen und die kollektive Organisierung waren bereits in ihrer Migrationsgeschichte präsent. Was sich geändert hat, ist der Diskurs: Wo sie anfangs als Verein mit dem Staat verhandelten, erkannten sie in der Folgezeit, dass sie als indigene Gemeinschaft mehr Erfolg hatten im Rahmen einer Kulturpolitik, die die kulturelle Vielfalt unterstützt und bei der Ethnizität als wertvolle Ressource angesehen wird.

Grenzen der Ethnizität

Nachdem sie den ganzen Papierkram erledigt hatten und bei der CDI als indigene Gemeinde anerkannt waren, öffnete sich für sie die Tür zu kulturpolitischen Programmen. In den ersten beiden Jahren gründeten sie die Band „Vientos de la Mixteca“. Außerdem bekommen sie seitdem Einladungen für Kunsthandwerksmärkte in der Stadt und im Bundesstaat, für Verkaufsstände im „Pavillon der kulturellen Vielfalt“ bei dem großen Markt „Feria Nacional Potosina“ sowie für öffentliche Events zu ethnischer Vielfalt.
Diese Unterstützung ist allerdings an Bedingungen geknüpft: Die Musik muss „traditionell“ sein und die Kunsthandwerksmärkte sollen Produkte anbieten, die als original gemäß den Parametern der CDI gelten. So gab es zum Beispiel ernste Probleme mit der Rafia (Bast einer Palmenart). Dieses Material ersetzt zum großen Teil die Palmblätter, die traditionellerweise für das Kunsthandwerk benutzt werden. Laut Aussagen der Gemeindemitglieder ist es einfacher, den Bast der Rafia-Palme zu besorgen, er ist billiger und zeigt dieselben Ergebnisse, außerdem findet die Kundschaft dessen Farben attraktiver. In den Städten ist es schwierig, die originalen Palmblätter zu besorgen; außerdem erfordert die Behandlung, bevor das Material verarbeitet wird, viel Zeit und Sorgfalt. Doch die Vorgaben bestimmter Politikprogramme legen fest, dass Unterstützung nur dann gewährt wird, wenn die traditionellen Materialien verwendet werden. Hinzu kommt, dass die städtischen Indigenen auf den Märkten und Kulturevents als „Auswärtige“ präsentiert werden, als Leute aus Oaxaca, auch wenn sie schon über ein Jahrzehnt in San Luis Potosí leben.
Obwohl diese Gemeinschaft also gewisse Erfolge in der Kulturpolitik erreicht hat, werden ihre dringendsten Bedürfnisse – Zugang zu Wohnraum, Arbeit, Bildung und Gesundheitsversorgung – nur unzureichend erfüllt. Aber genau im Hinblick auf diese Rechte zeigt die Ethnizität ihre Grenzen: Es gibt zwar kulturelle Unterstützung und Kunsthandwerksmärkte, aber keine Erlaubnis für kommerzielle Aktivitäten; auf öffentlichen Events werden sie als Touristenattraktion ausgestellt, aber sie können noch immer nicht ihre Grundstücke oder Unterkünfte legalisieren; sie werden zwar als indigene Gemeinschaften anerkannt, werden aber nach wie vor als das Gegenteil alles Städtischen angesehen sowie als Besucher*innen, statt als Bewohner*innen der Stadt.
Die Ethnizität wird in den Städten als folkloristisch angesehen und die multikulturellen Politikansätze beschränken sich darauf, die Diversität lediglich dann anzuerkennen, wenn sie sich dem „Traditionellen“, etwa der Musik und dem Kunsthandwerk, verpflichtet fühlt. Wenn diese Akteur*innen dann die ihnen zugewiesene Rolle als das folkloristisch Andere ablegen und Zugang zu Ressourcen einfordern – meist individuell –, erlangen das Kollektive (als Gegenteil des Individuellen) und das Ethnische (gegenüber dem Urbanen) neue Bedeutungen voller Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten.

Schule, Wohnraum – kollektive Probleme

Ein Beispiel ist das Schulwesen. Alle mixtekischen Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren gehen auf dieselbe Grundschule. Mit der Schulleitung, den Lehrer*innen und den Eltern der anderen Kinder gibt es immer wieder Probleme, denn wenn ein Elternteil in die Schule zitiert wird, erscheint für das Gespräch mit der Schulleitung in der Regel eine Delegation von Gemeindevertreter*innen. Während einige Lehrer*innen die Eltern für verantwortungslos halten, da sie nicht selbst wegen ihrer eigenen Kinder erscheinen, erwidern die Gemeindevertreter*innen, dass die Eltern arbeiteten, dass einige Mütter kein Spanisch sprächen und dass sie sich vor allem als Vertreter*innen einer Gemeinschaft einer Situation stellen könnten, die ihrer Meinung nach von kollektivem Interesse sei. Außerdem würde der Gemeinderat die Entscheidungen der Eltern auch repräsentieren; schließlich würden sie sich zuallererst zusammensetzen, die wichtigsten Punkte diskutieren und dann Entscheidungen treffen.
Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf die Forderung nach Wohnraum. Die Familien der Gemeinde leben auf einem Grundstück im Norden der Stadt, an dessen Eingang ein Schild steht: „Mixtekische Gemeinde von San Luis Potosí“. Die Behausungen sind aus Holz, die Dächer aus Wellblech, angeordnet in zwei Reihen mit einem zentralen Innenhof. Außerdem gibt es eine kleine Kapelle, die San Andrés gewidmet ist, sowie ein kleines Büro, wo die Blasinstrumente aufbewahrt sind und wo sich die Frauen versammeln, um ihr Kunsthandwerk aus Bast beziehungsweise Palmblättern herzustellen.
Obwohl sie diesen Ort nicht als endgültig betrachten, übersteigt bereits das Wachstum der Familien die Kapazitäten des Geländes, außerdem sind sie auf der Suche nach Wohnraum für die sozialpädagogische Begleitung der Gemeinschaft. Eines ihrer größten Probleme besteht darin, dass sie ein Grundstück brauchen, wo sie „alle zusammen“ leben können, das heißt, sie suchen einen Raum wie den jetzigen, nur größer und materiell besser ausgestattet. Dieser Disput um kollektive Interessen in einem Kontext, in dem private und individuelle Interessen vorherrschend sind, bezieht sich auch auf die Verkaufsmöglichkeiten, die sie noch nicht haben legalisieren können.
In den Städten stellen die Versorgung mit Wohnraum, Arbeit, Gesundheitsversorgung und Bildung Rechte dar, deren Zugang individuell gestaltet ist, während die mixtekische Gemeinde einen kollektiven Zugang dazu sucht.

Es gibt zahlreiche Beispiele für die Probleme, die diese Gemeinschaften tagtäglich haben, wenn sie Angelegenheiten des urbanen Lebens auf kollektive Art und Weise regeln wollen. Allein die Tatsache, dass sie sich in der Stadt niedergelassen haben, sorgt für Kontroversen: Kritisiert werden ihre kollektive Vorgehensweise sowie die Umstände, unter denen sie leben. Dabei wird behauptet, dass es in ihrer Verantwortung und an ihrer Halsstarrigkeit liegen würde, dass sie so leben. Die Kulturpolitik gegenüber den Indigenen kann nicht alle ihre Bedürfnisse erfüllen und stellt lediglich eine partielle Anerkennung, einen symbolischen Akt dar.
Im Jahr 2010 wurde mit großer Begeisterung das Gesetz Ley de Consulta Indígena para el Estado y Municipio de San Luis Potosí angenommen, das die indigenen Wirrarika (Huicholes) berücksichtigt, und zwar als Gruppe auf der Durchreise, da sie bei ihren Pilgerreisen den Norden des Bundesstaates durchqueren. Dies war das erste Gesetz im ganzen Land, das eine Gruppe auf der Durchreise anerkennt. Es war insofern innovativ, da es sich auf eine Gruppe in Bewegung bezieht, weil es sich zuvor intensiv mit der Konstruktion von indigenen Gemeinschaften befasst hat und weil es die indigenen Gemeinschaften als „kollektive Rechtssubjekte“ anerkennt.
Die Definition von „Gemeinschaft“ in diesem Gesetz erfordert allerdings „politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Einheit, mit festem Sitz in einem bestimmten Territorium und Anerkennung eigener Autoritäten gemäß ihren Sitten und Gebräuchen“. Das Territorium wird gemäß den klassischen Vorstellungen von ländlicher Gemeinschaft definiert, weswegen die Mixtek*innen auch nicht von diesem Gesetz erfasst werden. Schließlich weist dieses Gesetz explizit darauf hin: „San Luis Potosí erkennt die historische Existenz der indigenen Völker Nahuatl, Téenek und Xi Oi an, sowie die regelmäßige Anwesenheit der Wirrarika oder Huicholes“. Juan Cisneros, der an der Ausarbeitung des Gesetzes beteiligt war, antwortet auf die Frage, warum die Mixtek*innen hier nicht aufgeführt werden, dass sie sich „… neu aufstellen müssten. Es ist eine Herausforderung, für die es noch gar nicht die Voraussetzung gibt, weil die betroffenen Leute so zersplittert sind. Sie sind eine Gemeinschaft, aber auf ihre Art und Weise. Das ist manchmal nicht sonderlich hilfreich, wenn es darum geht, ihre Bedürfnisse anzuerkennen, denn mitunter legen sie erpresserische Taktiken an den Tag. In den ländlichen Gemeinden ist das nicht so, da ist es ganz anders.“
An anderer Stelle sagt Cisneros, dass der Unterschied zwischen den ländlichen und den städtischen Gemeinden darin bestehe, dass erstere die Bedingungen für eine Gemeinschaft erfüllen würden – ein klar abgegrenztes Gebiet und eine Organisierung innerhalb dessen – womit ihre Einheit und ihr Zusammenhalt größer seien, was vieles vereinfachen würde. Die Wirrakira in diesem Gesetz anzuerkennen war insofern recht einfach, weil sie über ein definiertes Territorium verfügen, zu dem sie auch wieder zurückkehren – im Gegensatz zu den indigenen Gemeinden, die sich bereits in der Stadt niedergelassen haben.

Zugang zu grundlegender Daseinsfürsorge im urbanen Kontext

Sowohl Magdalena Gómez Rivera als auch Rodolfo Stavenhagen haben sich mit dem kollektiven Charakter der indigenen Rechte im Hinblick auf den universellen und individuellen Charakter der Menschenrechte beschäftigt. Sie weisen darauf hin, dass die indigenen Bevölkerungsgruppen als neue Akteure in den lateinamerikanischen Justiz-Szenarien aufgekommen sind; dabei heben sie das territoriale Recht hervor, das heißt, nicht nur die Anerkennung eines eigenen Territoriums, sondern auch das Recht darauf, dort eine eigene Kultur zu praktizieren und eine eigene soziale Organisierung zu haben. Die urbanen indigenen Gemeinden versehen ihre Rechte aber mit einer neuen Bedeutung, da sie nicht auf ein angestammtes Territorium verweisen können und ihre Forderungen umlenken, hin zum Zugang zu grundlegender Daseinsfürsorge im urbanen Kontext.
Anerkennung vollzieht sich auf drei Ebenen: auf der Ebene der Beziehungen (innerhalb der Familie), auf der juristischen Ebene und auf sozialer Ebene (von Seiten der Gesellschaft). Letztere ist die komplexeste Form der Anerkennung, hier kommen Diskriminierung und Rassismus mit ins Spiel, womit die indigene Bevölkerung konfrontiert ist, wenn sie sich für ein Leben in der Stadt entscheidet. Eine vollständige Anerkennung ist aber nur dann möglich, wenn Stereotype und Vorurteile überwunden und die indigenen Gemeinschaften als Teil der Städte endlich anerkannt werden – jenseits ihrer folkloristischen Rolle auf Märkten und Kulturevents.

Fussnote:
1) Dezentrale staatliche Institution, die mit Sozialprogrammen, Förderpolitik und Maßnahmen für die Bewahrung von Kulturerbe für die Belange der indigenen Bevölkerung zuständig ist

Gekürzte Version von „Comunidades Indígenas Urbanas: Disputas y Negociación por el Reconocimiento“, in Andamios, Volumen 15, número 36. Übersetzung: Britt Weyde
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ila 437 Juli/Aug. 2020, hrsg. und mit freundlicher Genehmigung der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn. Zwischenüberschriften wurden nachträglich eingefügt.

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