Und Infantino auch nicht?
Jürgen Kalwa, ein in den USA arbeitender deutscher Sportjournalist, leuchtet dort immer wieder Problemfelder aus, die hierzulande kaum wahrgenommen werden. Nach meinem Eindruck ein guter Mann. Er berichtet jetzt in der FAZ über den Rekordgoldmedaillengewinner Olympischer Spiele, den ehemaligen Weltklasseschwimmer Michael Phelps, der depressionskrank war, was das Business aber nicht weiter interessiert hat. Kalwa lässt beiläufig einfliessen, dass selbst die Suizidprävention in den USA als Geschäftsmodell identifiziert und kapitalisiert wird. Normal.
Das würde Friedrich Merz sicher gut gefallen. Es ist gewiss keine böswillige Unterstellung, dass er sich die Weiterentwicklung der hiesigen kapitalistischen Gesellschaft so ähnlich vorstellt. Um daran führend als Bundeskanzler mitwirken zu können, hat er sich gestern erst einer rhetorisch geharnischten USA-Kritik befleissigt, weil er ahnt, er ist ja nicht doof, dass das im hiesigen Wahlpublikum nachgefragt ist.
Bei Dunja Hayali scheint es abends nicht ganz so gut ausgegangen zu sein. Johanna von der Haar, im Hauptberuf Mitarbeiterin des Fritz-Bauer-Instituts, und gelegentlich Zielobjekt rechtsradikaler Blogs, nimmt seinen Auftritt in der FR nach allen Regeln medienkritischer Kunst auseinander. Wenn die FR publizistisch noch so relevant wie in meiner Jugend wäre, wäre das Problem Merz damit erledigt. Ist es wohl noch nicht. Obwohl: könnten Sie sich einen CDU-Parteivorsitzenden “unter” einem Bundeskanzler Söder vorstellen? Eher fällt einer von beiden tot um.

Die Parallelwelten des Profisports

Der internationale Sportgerichtshof CAS hat vor wenige Tagen geurteilt, was Manchester City, Tochterfirma des Emirat Abu Dhabi, in den letzten Jahren an Wettbewerbsverzerrung mit unermesslich viel Geld (eine oder mehrere Milliarden?) verbrochen habe, sei schlimm, sehr schlimm, gewesen, dass es zur Strafe ein bisschen Geld (ein paar Milliönchen) Strafe zahlen muss. Logisch, oder? Noch logischer, dass der türkische Spitzenverein Trabzonspor, der gleiches im Promilleausmass angestellt hat, zwei Jahre von den Fleischtöpfen der Uefa-Champions-League ausgeschlossen bleibt.
Ebenso logisch, das Corona-Infektionszahlen in Spanien und Portugal die gleiche Uefa überhaupt nicht interessieren. Selbst dann nicht, wenn einzelne Spieler viruspositiv getestet sind. Das Kapital muss zirkulieren, und die Fernsehspiele ohne Zuschauer*innen müssen bei Sky und Dazn weitergehen. Sie merken alle überhaupt nicht, wie sie mit dieser Ignoranz ihre einst wertvollen “Marken” schädigen. Lieber die letzte Zitrone ausquetschen, als ein Zitronenbäumchen aufwendig pflegen. So läuft ja auch die Klimapolitik …
Doch was, wenn nun führende Funktionäre, beispielsweise ein Präsident eines Weltfussballverbandes, der Kriminalität verdächtigt und gegen ihn staatsanwaltlich ermittelt wird? Sogar in der einst so sicheren Schweiz? Der Lippstädter in München beharrt darauf, dass er dennoch (oder gerade deswegen?) “eigentlich der richtige Mann” sein, und zwar, weil er ihn schon so “lange kennt”. Logisch, oder? Als Westfale, und damit genetisch als Experte für Fleischhandel geboren, hat er vermutlich überhaupt keine Lust auf die Lektüre der Münchener Lokalpresse, die fortgesetzt gegen seinen guten Freund hetzt. Furchtbar. Wo soll das alles enden?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net