DIE Frage unserer Zeit – oder aufgewärmte Antiquitäten?
“Ökosozialist*inn*en” gab es mal bei den Grünen, bevor ich der Partei beitrat. Das war 1989, da waren die gerade am Austreten. Thomas Ebermann, der zeitweise den gleichen Hausarzt hatte wie ich, und Rainer Trampert, dem ich heute noch seine seinerzeit genialen TV-Auftritte anrechne, gehörten dazu, Repräsentanten einer Sekte namens “Kommunistischer Bund” (KB) mit Hochburgen in Hamburg und Göttingen, darum “KB-Nord” genannt. Es soll zu den Jugendsünden Jürgen Trittins gehören, da mal dazugehört zu haben. In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit war die Zuordnung des Sozialismus-Begriffs zu den Grünen damit erledigt.
Geblieben waren nach dem KB-Auszug noch einige “Entristen” genannte Personenzusammenhänge, die sich in trotzkistisch orientierten, sich also antistalinistisch verstehenden Sekten kennen gelernt hatten. Weil sie das Sektendasein satt waren, traten sie den Grünen bei, und bildeten vielerorts, in NRW und Berlin z.B., Kerne des verbliebenen linken Grünen-Flügels. Auch ich habe mich meistens dazugesellt.
Von diesen Resten ist nach meinem Eindruck heute nicht mehr viel übrig. Manche starteten Karrieren durch, bis hin zu Bundesminister*innen*ämtern oder Fraktionsvorsitzen, andere verliessen die Grünen, weil sie sich in der PDS und späteren Linkspartei besser aufgehoben fühlten. Was ich heute noch als linken Grünenflügel wahrnehme, ist eher abschreckend mitleidserregend, von einigen wenigen positiven persönlichen Ausnahmen abgesehen.
Auf diesem Hintergrund erklärt es sich, warum die Eigentumsfrage in Grünen-Diskursen heute nur noch eine nicht mehr wahrnehmbare Rolle spielt. Eine Mehrheit Grüner Funktionsträger*innen, insbesondere solcher, die noch höhere Funktionen anstreben, meint, dass die Geschichte dieser Frage zuende ist. Ist sie nicht.
Warum das nicht so ist, hat Thomas Piketty in zahlreichen Veröffentlichungen der letzten Jahre überzeugend dokumentiert. Zweifel an seiner empirischen Basis sind zu mir bisher nicht vorgedrungen. Auf ihn bezieht sich nun Raul Zelik. Raul habe ich vor rund 15 Jahren mal bei einer Lesung in Bonn persönlich kennengelernt. Ein sympathischer Kerl und ein denkender, angenehm unruhiger Kopf.
Was er in den Blättern jetzt vorgelegt hat, ist der seit langem inspirierendste politische Text, den ich lesen durfte. Theoretisch wäre er eine programmatische Diskussionsgrundlage für eine “Mehrheit links der CDU/CSU” (Willy Brandt), mit deren begrifflichem Erfinder er aber garantiert nicht verwechselt werden möchte.
Jetzt gibt es nur ein zentrales Problem: wo ist der Diskussionsort für solche Fragen? Ich kenne keinen. Ist er geheim? Oder existiert er schlicht (noch?) nicht? Dass Suhrkamp das mal war, muss noch vor “meiner” Zeit gewesen sein ….

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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