Während das ZDF gestern in seinem Hauptprogramm ein Gespenst und eine Karikatur von dem sendete, was Ältere früher unter Fußball verstanden (6,7 Mio. Zuschauer*innen), und dafür mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den weit grösseren Haufen unseres Haushaltsabgabengeldes bezahlte, sendete es in seinem Nischenprogramm ZDFinfo, Marktanteil in 2020 bisher 1,5%, echten Journalismus (0,3 Mio. Zuschauer*innen). Der produzierende Journalist James Jacoby beschäftigte sich dort knapp zwei informative Stunden mit dem Amazon-Konzern und seinem Hauptaktionär, dem vermutlich reichsten Mann der Welt James Bezos.
Die Wahrscheinlichkeit ist aussergewöhnlich hoch, dass Sie es nicht gesehen haben. Holen Sie das nach, Sie haben einen Monat Mediathek-Zeit. Leider enthält die ZDF-Homepage fast keine Informationen zur Produktion des Films. Suchen Sie dafür die Homepage des Autors James Jacoby auf. Dort besteht die Chance, die englischsprachige Originalversion zu betrachten. In meinen Augen handelt es sich um notwendigen – keineswegs hinreichenden – Stoff für Ihre politische Bildung und ein rationales Verständnis des real existierenden Kapitalismus.
Nach meinem Eindruck lässt der Film keinen relevanten Aspekt aus, geht darum vielleicht nicht überall ausreichend in die analytische Tiefe, verzichtet angenehm auf missionarische Urteile und Appelle, und lässt uns Zuschauer*innen auf diese Weise ausreichend Raum, uns mit der Sache weiter zu beschäftigen, und eigene Urteile zu erarbeiten. Kurz: eine intellektuelle Wohltat, gutes, starkes, anstrengendes Fernsehen. Bzw. so Sie wollen: Streaming.
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