Und: die fremden Medien-Onkel (und -Tanten)
Als Fahrradfahrer mag ich Tauwetter weit lieber als Schnee und Eis, bin also im Rheinland richtig. Zweifellos ist dennoch das Tauwetter weit weg, an den Polen, wo mich selbst Kreuzfahrtschiffe nie hinlocken könnten, gefährlich. Nicht weniger, wenn es in Grönland, Sibirien und Kanada Permafrostböden auftaut und Unmengen an klimaschädlichem Methan freisetzt. Kurzfristig noch gefährlicher ist es, wenn “eingefrorene Konflikte” wieder heisslaufen.
Das ist ein Fachbegriff für Konstellationen, wie sie besonders zahlreich in Mittelasien, dem “nahen Ausland” Russlands zu beobachten sind. Der Putin-Regierung wird unterstellt, dass sie daran Interesse hat, um gemäss ihrer Interessen mal so, mal so damit umgehen kann. Das hat sie nicht exklusiv, wie sich jetzt zwischen Armenien und Aserbaidschan erweist. Lesen Sie dazu Reinhard Lauterbach/Junge Welt (dieser Link wird in einem Paywall-Archiv verschwinden) und Roland Bathon/telepolis.
Notdürftig eingefroren ist auch der Konflikt um den Berliner Hermannplatz, an dem Rene Benkos Signa, die sich dankenswerterweise aus Bonn grusslos verabschiedete, die Sprengsätze bereits installiert hat. Eine oxiblog-Reportage von Paul Dziedzic leuchtet das aus, und erinnert atmosphärisch an die jüngst von mir empfohlene aus der Dortmunder Nordstadt.
Onkel Claus Kleber hat, mann möge es ihm angesichts seines Alters und blasenartigen Arbeitsortes, einem vermutlich fensterlosen TV-Studio, nachsehen, gelegentlich Probleme, die Welt noch zu verstehen. Er soll nun mit dem gerade vom WDR verlorenen neuen Wissenschafts-Star Mai Thi Nguyen-Kim zusammengestossen sein. Es war augenscheinlich weniger wegen sachlicher Meinungsverschiedenheiten, sondern wegen paraleller Kulturen (reicher alter Onkel vs. mitten im Wissenschafts- und Journalismusleben stehender sich um neue Erwerbsmodelle kümmernder Frau) ein spektakulärer Live-Clash. Das passiert, wenn sich eine Nachrichtenredaktion nicht um ausreichende Diversität ihres Personals kümmert.
Das hat auch der Spiegel erlebt. Seine männlichen Ressortchefs hielten sich vielleicht für besonders schlau, Kolleginnen in ein Interview mit einer Wissenschaftlerin zu schicken, um sie dort männliche Spiegel-Klischees wiederkäuen zu lassen. Können sich die Jungs hinterher rausreden “bin ich nicht dabeigewesen”. Ihrem Medium haben alle zusammen umso mehr geschadet. Nicht mehr ernstzunehmen. Von mir noch nie. Auch nicht lustig: Spiegel-Kolumnistin Samira El Ouassil nimmt sich der gleichen Sache an, aber bei uebermedien, und da nur hinter Paywall (in ca. einer Woche frei zugänglich). So drehen sie sich um sich.
Was dabei herauskommt, ist die Corona-Berichterstattung wie sie ist. Es gibt zwar nachdenkliche, reflektierte Stimmen, nicht wenige von älteren Medienforschern, wie hier z.B. Stephan Russ-Mohl in einem Gastbeitrag für die SZ. Aber die sterben aus. Und dann?
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