Ein Ton hat sich eingeschlichen in Bewertung und Kommentierung der Wahl in den USA, der missfällt. Eine Ermahnung, auch an den künftigen Präsidenten Joe Biden
Seit Tagen sitze ich wie festgeklebt vor CNN. Immer häufiger zucke ich jedoch zusammen, weil sich da ein Ton einschleicht, den ich jahrzehntelang nur zu gut kannte, inzwischen aber fast vergessen hatte. Und den ich noch nie ertragen konnte.
Wie ausgerechnet der Außenminister so etwas sagen könne, empörte sich eine Moderatorin nach der Äußerung von Mike Pompeo, es werde einen reibungslosen Übergang zu einer zweiten Amtszeit von Trump geben. Die Journalistin war fassungslos. Schließlich gehöre es zu den Aufgaben des Außenministers, andere Staaten zum Respekt vor Wahlergebnissen zu ermahnen.
Tatsächlich? Wer hat Mike Pompeo denn mit dieser Aufgabe betraut? Die UNO? Nein.
Viele Leute in den Vereinigten Staaten fühlen sich zu dieser Rolle quasi naturrechtlich berufen, sind sie doch „die älteste Demokratie der Welt“, wie die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright vor ein paar Tagen behauptete. Sie müsste es eigentlich besser wissen. Als promovierte Politologin hat sie sicher schon mal von der Demokratie in der griechischen Antike, von der Magna Carta und der englischen Bill of Rights gehört.
Frühe Formen der Demokratie lassen sich nicht mit der heutigen vergleichen, sie haben große Teile der Bevölkerung von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Das ist aber kein Argument, denn es galt ursprünglich auch für die Demokratie in den USA. Das Frauenwahlrecht wurde dort erst 1920 eingeführt, ein Jahr später als in Deutschland. In der Praxis galt es für weiße Frauen.
Das ist kein Vorwurf. Gerade für eine Deutsche, auch für eine Nachkriegsgeborene, ist Zurückhaltung angebracht, wenn von historischen Irrwegen und Versäumnissen die Rede ist. Was aber nichts daran ändert, dass eine bestimmte Form des US-amerikanischen Selbstbewusstseins – vulgo: Arroganz – einfach nervt. Nein, es geht um mehr: Sie ist gefährlich für internationale Beziehungen.
„Wir gelten als das Land, das am meisten bewundert wird in der Welt“, sagte eine andere CNN-Moderatorin. Wie kommt sie darauf? Also, ich finde Kanada und Neuseeland ziemlich prima. Natürlich lässt sich darüber diskutieren. Aber der beiläufige Satz der Kollegin ist ja keine Einladung zu einer Diskussion. Sondern eine Feststellung. So wie die Erklärung, dass die Erde keine Scheibe ist.
Selbstverständlich lässt sich sagen, dass es derzeit Wichtigeres gibt. Angesichts eines Präsidenten, der zwar einerseits dringend sein Amt behalten will, es aber andererseits offenbar nicht ausüben möchte, wie ein Kommentator spöttelte. Sondern der seit einer Woche stumm schmollt, obwohl eine Seuche in seinem Land außer Kontrolle gerät. Und angesichts einer ziemlich erfolgreichen Partei – der US-Republikaner –, die aus Angst, die Wählerschaft zu vergrätzen, sich darum drückt, eine offenkundige Niederlage ihres Kandidaten einzugestehen.
Dennoch: So unwichtig ist der Ton nicht, in dem politische Diskussionen geführt werden und in dem über das eigene Land geredet wird. Die weitverbreitete Überheblichkeit in den USA war lange ein wesentlicher Grund für Gegenreaktionen wie platten Antiamerikanismus.
In den letzten Jahren ist diese Überheblichkeit verschwunden. Donald Trump gab Anlass zum Fremdschämen, nicht dazu, sich auf die Brust zu trommeln. Das hat, soweit ich es beurteilen kann, Sympathie und Verständnis für die USA bewirkt. Auch in Kreisen, die den Vereinigten Staaten eher kritisch gegenüberstehen. Wenn Joe Biden daran liegt, multilaterale Beziehungen zu beleben, dann wäre es schön, er würde das sehen. Empfohlen wird ein My Bescheidenheit.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.
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