von Ulrich Horn
Die Corona-Pandemie offenbart die Handlungs- und Führungsschwäche der Ministerpräsidenten (MP). Sie sind für den Kampf gegen die Pandemie zuständig. Sie reklamieren diese Verantwortung für sich. Doch sie werden ihr nicht gerecht. Das Gremium der 16 Regional- und Lokalpolitiker, das Deutschland durch die Pandemie steuern müsste, zeigt sich der Krise nicht gewachsen. Es ist dabei, die Schäden für das Land zu vergrößern.
Nur plaudern
Aufgabe der MP-Runde ist es, die Pandemie so einzudämmen, dass die gesundheitlichen und die wirtschaftlichen Schäden möglichst klein bleiben. Bei der jüngsten Zusammenkunft offenbARTE die Runde zum wiederholten Mal, dass sie dieser Aufgabe nicht bewältigen kann.
Seit Tagen ist davon die Rede, dass die bisher beschlossenen Maßnahmen nicht hinreichen, um die Zahl der Infizierten so weit zu senken, dass die Krankenhäuser arbeitsfähig bleiben und die Gesundheitsbehörden wieder arbeitsfähig werden. Diese Diskussion ging an den Ministerpräsidenten offenbar vorbei.
Zu ihrem Treffen am Montag erschienen sie gänzlich unvorbereitet. Weder Einzelne in der MP-Gruppe noch die Runde als Ganzes hatten ein Konzept vorzuweisen. Die Öffentlichkeit erwartete handfeste Maßnahmen. Die Ministerpräsidenten wollten nur Gedanken austauschen, also nur plaudern.
Als Quatschköpfe bloßgestellt
Dass Merkel zu der Plauderstunde ein Konzept mitbrachte, empfand die MP-Truppe als Affront. Sie machte in den vergangenen Monaten immer wieder klar, dass sie und nicht Merkel beim Thema Pandemie das Sagen habe. Die Ministerpräsidenten standen ohne eigenes Konzept ziemlich dumm da. Sie sahen sich als Quatschköpfe bloßgestellt, die den Schuss nicht gehört haben. Entsprechend wütend wiesen sie Merkels Konzept zurück.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Runde der Ministerpräsidenten hilflos wirkt. Manches an Merkels Konzept erscheint unausgegoren und unrealistisch. Immerhin hat sie eins. Es signalisiert den Bürgern, dass die Gefahr nicht gebannt ist und dass sie sich darauf einrichten müssen, sich auf längere Zeit einzuschränken.
Dagegen stehen die Ministerpräsidenten mit leeren Händen da. Sie erwecken den Eindruck, die Pandemie überfordere sie. Seit acht Monaten haben sie es nicht einmal geschafft, für den Schulunterricht ein Konzept zu entwickeln, das den Bedürfnissen der Kinder, Lehrer, Eltern und der Wirtschaft halbwegs gerecht wird. Dabei gehört die Schulpolitik doch zu den Kernaufgaben der Bundesländer.
Lange Fehlerliste
Das Versagen der Ministerpräsidenten in der Schulpolitik hat weitreichende Folgen. Der Unterricht muss trotz der Pandemie gewährleistet werden, damit die Eltern ihrer Arbeit nachgehen können und die Wirtschaft im Gange bleibt. Dass es für das Schulproblem bisher keine befriedigenden Lösungen gibt, ist ein schweres Versäumnis der Ministerpräsidenten.
Es ist längst Tradition, dass die Landespolitiker die Schulen vernachlässigen. Anders als in Dänemark gibt es in Deutschland immer noch Schulen ohne Internet, Schüler ohne Computer und Lehrer ohne Konzepte für den Heimunterricht. Der Missstand macht sich in der Pandemie besonders deutlich bemerkbar, ein Skandal, der auf den Deckel der Ministerpräsidenten und ihrer Parteien geht.
Dieses Versäumnis, das die Zukunft des Landes gefährdet, ist leider kein Einzelfall. Die Fehlerliste der Ministerpräsidenten in der Pandemie-Politik ist ziemlich lang. Sie wird stetig länger. Sie begann, als dem Bundestag 2013 ein Konzept gegen Pandemien zuging. Die Länderchefs versäumten, es durchzusetzen. Dass Corona das Land in diesem Frühjahr unvorbereitet traf, müssen sie sich ebenfalls anrechnen lassen.
Träge agiert
Die zweite Corona-Welle geht ebenfalls auf ihr Konto. Sie ließen zu, dass nach der glücklich überstandenen ersten Welle der Lockdown im Sommer weitgehend undosiert und unkontrolliert geöffnet wurde. Sie ließen Bürger scharenweise in Corona-Gegenden Urlaub machen und ungetestet heimkehren. Damals legten die Länderchefs trotz aller Warnungen die Grundlage für die zweite Welle.
Sie zeigt gnadenlos auf, wie unangemessen träge die Länderchefs agieren. Sie ließen volle zwei Wochen ins Land gehen, ehe sie sich zu den Maßnahmen durchrangen, die nun die zweite Welle brechen sollen. Dabei wussten die Ministerpräsidenten sehr wohl, dass jeder Verzug die Zahl der Infizierten und Toten erhöhen und das Gesundheitssystem stärker belasten würde.
Das Virus kennt kein Zaudern und Zögern. Im Kampf gegen die Pandemie zählt jeder Tag. Doch die Ministerpräsidenten verhalten sich, als gebe es wie beim Bau des Berliner Flughafens, beim Stopfen der Funklöcher oder dem Ausbau des schnellen Internets keinen Grund zur Eile. Die MP-Runde schafft es nicht, ihre Erkenntnisse zeitnah in Taten umzusetzen.
Die Bürger verunsichert
Dieser Befund ist bestürzend, weil er sich auf ein Gremium bezieht, das in der Pandemie über das Wohl und Wehe der ganzen Republik entscheidet. Fehler dieser Runde ziehen schwerwiegende Folgen nach sich, wie an der zweiten Welle abzulesen ist. Sie wäre flacher und kürzer ausgefallen und hätte weniger Opfer und Geld gekostet, wenn sich die Ministerpräsidenten nicht so lange Zeit gelassen hätten, Maßnahmen zu ergreifen.
Sie haben es auch nicht geschafft, den Bürgern zu vermitteln, warum es sinnvoll ist, Maßnahmen nach lokalen und regionalen Gegebenheiten auszurichten. Es konnte sich der Eindruck breitmachen, die Maßnahmen wären unüberschaubar, weltfern und widersprüchlich. Die MP-Runde trug dazu bei, die Bürger zu verunsichern, und leistete denen Vorschub, die Schutzmaßnahmen ablehnen, das Virus leugnen und dazu beitragen, es zu verbreiten.
Warum tun sich die Ministerpräsidenten so schwer, der Pandemie angemessen zu begegnen? Das Gremium ist nicht gewohnt, sich in Krisen auf bundesweite Maßnahmen zu verständigen. Die Ministerpräsidenten sind Regional- und Lokalpolitiker, die vor allem das begrenzte Territorium ihres Bundeslandes oder ihrer Stadt im Blick haben.
Auf Trab bringen
Sie gestalten in ihren Sprengeln Politik, indem sie sich auch von anderen Bundesländern abgrenzen und die Unterschiede zu ihnen betonen. Oft genug sehen sie sich als Konkurrenten. Gemeinsamkeiten zu suchen und zu finden und sich über sie zu verständigen, das fällt ihnen schwer. Es fehlt ihnen auch die Übung. Dieser Mangel sticht in der Pandemie besonders deutlich hervor. Kaum eine Entscheidung der Ministerpräsidenten im Kampf gegen die Pandemie wird von allen getragen, zum Leidwesen vieler Bürger.
Der unterentwickelte Blick der Länderchefs für das große Ganze wird zusätzlich getrübt durch ihre parteipolitisch gefärbten Brillen und die innenpolitischen Zwänge in den einzelnen Regionen. Sogar bei ureigenen Länderaufgaben rufen sie schnell nach Bundeshilfen. Gern nehmen sie das Geld des Bundes. Mitbestimmung verweigern sie ihm.
Die Ministerpräsidenten sehen sich als die entscheidende Instanz im Kampf gegen die Pandemie. Wollen sie sich mit diesem Anspruch nicht lächerlich machen, transusig vor sich hin zu werkeln. Es ist es höchste Zeit, dass sie ihre Gangart wechseln. Niemand verlangt von ihnen, dass sie galoppieren. Auf Trab bringen sollten sie sich aber schon.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung.
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