Von Günter Bannas
Parteitag der Grünen: An Laptops rundum mundnasenmaskierte Helferinnen und Helfer, verkabelt und mit Headsets. Die Halle vollgepfropft mit Monitoren. Von wegen Technikfeinde. Abgedunkelt der Saal, steril die Atmosphäre. Kontrapunkt wie ein Sinnbild: Ein Wohnzimmer, in heimeliges Licht getaucht, wohin die Sitzungsleiter bei allen möglichen Gelegenheiten digital „hinübergeben“. Eine an Zeiten erinnernde Installation, als der Begriff von der „guten Stube“ noch gebräuchlich war. In Retro: Gummibaum, Couchtisch, Stehleuchten. Wenn Helmut Kohl erschienen wäre, weil er seine Strickjacke habe liegen lassen, oder gar Ludwig Erhard auf der Suche nach Zigarren – der Betrachter wäre nur mäßig verblüfft. „Hinübergegeben“ wurde zu „Robert“ (Habeck) oder „Annalena“ (Baerbock), die vom Sofa aus bestens gelaunt Reden und Gegenreden via Bildschirm verfolgten und sich wohlig freuten, wie sich Enkel freuen, wenn Großmutter und Großvater stolz auf die Stammhalter sind und sie mit Limonade und Keksen verwöhnen. Der Parteitag verlief in ihrem Sinne – politisch und ikonografisch.
Neue Milieus für die Grünen zu gewinnen, ist das Ziel der Führung der Partei. Ein Bühnenbild voller Zitate war dessen Inkarnation: Vertrauen erwecken statt Wähler in Angst und Schrecken versetzen. Alles werde gut. Gepasst hätte, als ironische Anmutung, Kitsch in Öl: Röhrender Hirsch im dunklen Wald. Bemerkenswert: auf der Blümchentapete keine Anti-Kernkraft-Plakate, keine Friedenstaube, kein Che Guevara, der an wilde Gründerjahre der Partei hätte erinnern können. Stattdessen, politisch wohlorchestriert, eine Bild-Auswahl aus Zeiten des Aufstiegs. Joschka Fischer 1985 in Turnschuhen bei der Vereidigung als hessischer Umweltminister. Subtext: Wir wollen regieren und haben bewiesen, dass wir es können. Sodann Antje Vollmer, Christa Nickels, Waltraud Schoppe und andere grüne Frauen, die in der ersten Legislaturperiode der Grünen im Bundestag die Herrschaft der Männer an der Fraktionsspitze beendeten und den Frauen-Vorstand („Feminat“) bildeten. Klandestine Ankündigung, Annalena Baerbock werde die Partei als Kanzlerkandidatin in den Wahlkampf führen? Eine bildliche Erinnerung an rot-grüne Regierungszeiten mit Schröder („Koch“), Fischer („Kellner“) und Lafontaine (nun bei der Linkspartei) fehlte. Das Parteitagsmotto „Jede Zeit hat ihre Farbe“ war in leuchtendem Grün auf beinahe schwarzem Grund gehalten.
Günter Bannas ist Kolumnist des HAUPTSTADTBRIEFS. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus “DER HAUPTSTADTBRIEF AM SONNTAG in der Berliner Morgenpost”, mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion. © DER HAUPTSTADTBRIEF
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