Schwarze Löcher sind im Universum bekanntlich unwirtliche Orte – sie verfügen über eine gigantische Anziehungskraft, ihrer Gravitation fallen oft zahlreiche benachbARTE Sterne und Planeten zum Opfer. Was hinter ihrem Ereignishorizont verschwindet, wird nie wieder gesehen und zu “Spaghetti” zerdrückt, wenn man Prof. Stephen Hawking Glauben schenken darf. Zwischen der CDU vor ihrem Parteitag und den Gravitationsmonstern gibt es eine Menge Parallelen.
Da ist zum einen die Frage nach dem Favoriten unter den drei (NRW-)Kandidaten. Wen auch immer ich aus meinen reichhaltigen CDU-Quellen in den letzten Tagen und Wochen befragte, es gibt keine validen Einschätzungen. Was normalerweise auf Kreisversammlungen, in Hinterzimmern oder Freundeskreisen erörtert wird und deshalb garantiert nicht geheim bleibt – es existiert nicht, weil Corona diese Form des “Kungelns” unterbunden hat. Natürlich gibt es weiter Telefone, Skype und Co. – aber das ist für die üblichen Meinungsbildungsprozesse unter Delegierten nur ein schwacher Ersatz. Es bleibt also spannend und nur ganz generell einschätzbar.
Was spricht für Merz: Er ist der Anti-Merkel – endlich wird das geschundene, von Merkel ausgegrenzte, rechte Potenzial der CDU Rache für – was auch immer – üben können. Alfred Dregger ist tot, Gauland bei der AfD, aber die einen oder anderen alten und jungen weißen Männer wird es in jedem Kreisverband der CDU geben, die trotz Corona und Auseinanderklaffen der Kluft zwischen Arm und Reich nach wie vor das Lied des Neoliberalismus singen. Viele Mitglieder der Jungen Union wollen partout nicht einsehen, warum sie mit ihren Steuern die Renten der “alten Säcke und Trullas” zahlen sollen. Und wollen auch in Zukunft für ihre Work-Life-Balance-Gehälter durch Blackrock bis zu 25% Rendite erwirtschaften – oder zumindest an das Märchen glauben, dass das möglich sei.
Was spricht für Röttgen: Er steht eigentlich für nix, aber das spricht sicher den einen oder die andere an, die sich raushalten wollen aus der Richtungsentscheidung der CDU. Sein Petitum an die Partei ist, um mit “Schlangenzunge” aus dem “Herrn der Ringe”, an den vermeintlich verwirrten König Theoden gewandt, zu sprechen: “Ernennt einen treuen Verwalter!” Kanzler will er nicht werden, was zumindest für eine realistische Selbsteinschätzung spricht.
Was spricht für Laschet: Er kann es schaffen, wenn er die Partei überzeugt, dass er ein gefährlicher Kanzlerkandidat werden könnte – er hat wider Erwarten NRW geholt, er spielt erfolgreich den “kleinen Hobbit”, an dem auch kleinere Affären, wie die um seinen Sohn und die Corona-Schutzkleidung, abperlen, besser als an Teflon-Scheuer. Er ist ein sozialer Mensch des Ausgleichs und Mitspieler der gleichnamigen Sozialausschüsse – also einer, der Merkels Politik und Mehrheiten erfolgreich beerben könnte. Er kann Wahlen gewinnen und dabei nicht hinter dem Ereignishorizont verschwinden.
Was CDU-Delegierte in Sachen Parteitaktik oder politischer Strategie denken, ist schwer einzuschätzen. Es gibt sicher solche, denen ein CSU-Söder als Kanzlerkandidat nicht geheuer ist. Andere aus dem Osten, denen selbst Merz zu links ist. Aber die Partei steht auch vor der Frage, wer dem potenziellen Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen mehr Schwarzes Loch entgegensetzen könnte. Merz ist Garant dafür, dass Grün-Rot-Rot wieder eine Chance bekommen könnte – die Gravitation dürfte da nicht helfen. Bei Laschet oder Söder liefe es auf Schwaz-Grün oder Schwarz-Rot hinaus. – Fakten und Anziehungskräfte, die bedacht sein wollen.
Und dann ist da noch die spannende Frage, was aus NRW wird, würde Laschet Vorsitzender, Kanzlerkandidat und Kanzler oder Vizekanzler: NRW ist für die CDU zu wichtig, um als Land verloren zu gehen. Aber die bisher von vielen schlauen JournalistInnen als potenzielle Nachfolger gehandelten Minister Reul und Laumann haben ein winzig kleines Problem: Wer in NRW Ministerpräsident werden will, muss Mitglied des Landtags sein. Schon einmal wurde ein Landesvorsitzender der SPD – Harald Schartau – von dieser Realität aus der Umlaufbahn der Kronprinzenrolle geworfen, er musste nach dem Weggang Wolfgang Clements 2002 Peer Steinbrück den Vorzug geben und wie die russische “MIR” in der Corona der Vergessenheit verglühen.
Im Landeskabinett haben nur Finanzminister Lutz Lienenkämper, Justizminister Peter Biesenbach und Verkehrsminister Hendrik Wüst ein Landtagsmandat. Und nur die drei könnten Laschet im Amt des Ministerpräsidenten nachfolgen. Biesenbach hat einige Justizvorkommnisse im Rucksack und Hendrick Wüst muss erklären, wieso der Landestraßenbetrieb NRW (im euen Jahr aufgegangen in der bundesweiten Autobahn GmbH, s. Die Anstalt) mit Skandalen wie dem Brückenbau in Leverkusen oder der Schlamperei mit Lärmschutzwänden auf dem Kölner Ring nicht fertig wird. Das kann dauern. Allein Lutz Lienenkämper könnte wohl der vernichtenden Anziehungskraft des Schwarzen Lochs in NRW erfolgreich widerstehen.
Vielleicht wird ja auch diese Auswahl für manche Delegiertenstimme den Ausschlag geben, auf welche Umlaufbahn der eine oder andere Kandidat geschossen wird. Schaumermal.
Von linker Seite betrachtet kann man nur hoffen, dass Merz das Rennen macht und auch Kanzlerkandidat wird. Ich erhoffe mir davon einen Effekt wie beim Kanzlerkandidqaten Strauß. Klare Polarisierung und Stärkung der Linken, den SPD und Grüne fallen doch neben der CDU inhaltlich kaum mehr auf. Was unterscheidet Annalena Baerbock inhaltlich von der CDU? Selbst über bewaffnete Drohnen muß diese “Atlantikerin” erst noch nachdenken. Klare Ablehnung von so was gibt es nur bei den Linken.
Dass es erst “schlimm genug” kommen muss, damit die Menschen “ein Einsehen haben”, wird gewöhnlich “Katastrophenstrategie” genannt. Nach meiner Erinnerung hat die noch nie “funktioniert”. Wenn etwas Wichtiges, und das scheint die CDU noch zu sein, nach rechts rückt, dann rückt auch das Ganze nach rechts. Am wenigsten davon hätte logischerweise “Die Linke”.
Man sollte sehr vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht.
Man könnte es nämlich bekommen.
Und Merz als Hybris auf zwei Beinen wäre d i e Katastrophe für Deutschland.