Eine neue Freundschaft? Ein neues Bündnis? In einem gemeinsamen Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung haben Robert Habeck, der Grünen-Co-Vorsitzende, und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Reiner Hoffmann programmatische Positionen zur Sozial-, Finanz- und Wirtschaftspolitik formuliert. Ein weiteres Menetekel für die SPD, der der DGB-Chef seit langem angehört? Weshalb es nahegelegen hätte, er hätte den Aufsatz zusammen mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz oder auch den Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans verfasst. Er tat es – ausgerechnet – zusammen mit der Konkurrenz, mit Habeck, der ja möglicherweise auch Kanzlerkandidat werden wird.
Seitenhiebe gegen die große Koalition und gegen den Finanzminister in Hülle und Fülle: Andere Schlüsse seien aus der Corona-Krise zu ziehen, als es die Koalition tue. Eine „Mär“ sei es, dass sie besonders sparsam gewirtschaftet habe – nur wegen der niedrigen Zinsen erscheine das so. Nötig sei eine Politik, „die nicht nur auf die Corona-Krise reagiert, sondern die Krisenbekämpfung stärker mit dem sozialökologischen Umbau des Landes verbindet“. Die Grünen können zufrieden sein. „Weniger vom Alten, mehr vom Neuen ist die Devise“, formulierten Habeck und Hoffmann als Quintessenz ihre Vorstellungen.
Blicke in die Vergangenheit: Den Kabinetten von Willy Brandt und Helmut Schmidt gehörten für die SPD vormalige Gewerkschaftsvorsitzende an. Verteidigungsminister Georg Leber war Vorsitzender der IG-Bau-Steine-Erden gewesen. Arbeitsminister Walter Arendt hatte der IG Bergbau und Energie vorgestanden. Finanzminister Hans Matthöfer hatte zu den führenden Funktionären der IG Metall gezählt. Die Zeiten änderten sich. Gerhard Schröder zerstritt sich mit dem DGB-Chef Michael Sommer. Auch jetzt gibt es immer neue Anzeichen der Entfremdung. Gewerkschaftsführer waren empört, weil die SPD-Spitze sich nicht für die Interessen der Automobilwirtschaft eingesetzt habe. In Nordrhein-Westfalen protestierte der DGB, weil die oppositionelle SPD-Landtagsfraktion zusammen mit CDU und FDP einen Antrag zu „Chancen der digitalen Arbeitswelt“ verabschiedete und damit den Gewerkschaften in den Rücken gefallen sei. Ab Herbst wird Frank Bsirske, der wortgewaltige Ex-Chef von Verdi, dem Bundestag angehören – als Mitglied der Fraktion der Grünen. Neue Konstellationen werfen ihre Schatten voraus.
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