Seine reale Existenz ist hierzulande trauriger, als in den USA
Dass ich das noch erleben dürfte, habe ich lange nicht gedacht. In meinem Essener Stadtteil Karnap hatte die älteste Partei Deutschlands über 75%. Ich habe sie gehasst. Jetzt dagegen habe ich Mitleid – das ist in der Politik die unterste Schublade (bei “Hass” gibts immerhin noch Grund, jemandes gefürchteter Gegner/Konkurrent zu sein). Ich kann kaum noch so mitfühlen, wie Heribert Prantl/SZ es versucht, weil ich heute mehr fürchte als hoffe, dass mein einstiges Hassobjekt sich ganz aus der Arena abmeldet. Prantl formuliert gentlemanhaft höflich; mit den meisten Protagonist*inn*en ist er persönlich bekannt. Ich dagegen weiss gar nicht, ob ich darüber noch viel nachdenken soll … Dass ichs hier schreibe, zeugt immerhin noch davon.
Wie anders die Debatten in den USA. Ein Mann wie Bernie Sanders – hätte er in der deutschen Arena in seinem Alter und mit seiner Haarfarbe noch eine Chance gehabt? In den USA hat er viele irrelevante linke Sekten zu einer tatsächlichen politischen Basisbewegung zusammengebracht. Das war, das ist politische Kunst. Hinter Sanders mobilisierend und stehend wurden sie politisch relevant. Zum Sieg bei den Vorwahlen der US-Demokraten hat es leider wieder nicht gereicht. Hätten sie das eine oder andere Bündnis zusätzlich wagen sollen (mit Elizabeth Warren z.B.)? Vergossene Milch. Wäre ein jugendlicheres weibliches Gesicht noch mobilisierungsstärker gewesen? AOC war nach US-Wahlgesetzen noch zu jung zum Kandidieren. Aber es gibt eine relevante (!) Strategiediskussion, wie es weitergehen soll, dank Jacobin in deutscher Sprache mitzulesen.
Auf beiden Seiten des Teichs wird studiert werden müssen, wer für die Krisenkosten des real existierenden Kapitalismus zahlen soll. Heinz-J. Bontrup, Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, hat dazu eine Textreihe beim Oxiblog veröffentlicht (heute Teil 2, ein Teil 3 soll noch folgen).
Ausgerechnet in Mülheim und Essen stellt die SPD einen Kandidaten auf, dessen Organisation – Gewerkschaft würde ich das nicht nennen – Bund Deutscher Kriminalbeamten Verbot von AntiFa-Gruppen fordert und der selbst rechte Seilschaften, und Gewalt in der Polizei klein redet.
Sebastian Fiedler – Kriminalbeamter und guter Rhetoriker
Fiedler beherrscht die Rhetorik wie nicht viele in seiner Partei. Der Mann kann reden und überzeugen – er ist gern gesehener Gast in allen möglichen und unmöglichen Talkshows. Ähnlich wie Wolfgang Bosbach von der CDU. Vielleicht saß er mit ihm deshalb in der “Bosbach-Kommission”, die im Auftrag der NRW-Landesregierung im März 2020 Vorschläge für “Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen” vorlegte.
Dabei kam allerlei Fragwürdiges zusammen. So empfahl das größenteils aus Polizisten und anderen “Sicherheitsexperten” bestehende Gremium auf Seite 32 ihres Abschlussberichts die “Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Beobachtung von unter 14 Jahre alten Personen durch den Verfassungsschutz”.
Denn, so die Begründung: “Aktuell haben die Verfassungsschutzbehörden keine rechtliche Grundlage zur Beobachtung von Personen, die unter 14 Jahre alt sind.” Dabei gibt es durch aus Stimmen, die den Verfassungsschutz nicht auch noch auf Kinder loslassen, sondern eher auflösen wollen.
Auch sonst liegt der konziliant auftretende Sebastian Fiedler weitgehend auf der Linie reaktionärer Sicherheitspolitik, wie wir sie von Politikern wie Otto Schily und Horst Seehofer gewohnt sind. Allerdings fordert Fiedler bei Cannabis “ein Ende der Konsumenten-Verfolgung”.
Hier steht noch mehr über ihn:https://www.heise.de/tp/features/Der-Sicherheitssozialdemokrat-5056806.html
Kleine Korrektur zum Telepolis -Text Borjans sind keine Vettern sondern nur weitläufig verwandt.