Brasilien / Tschad / Myanmar
“Woanders is’ auch scheisse.” Dazu hier neue Beweise, die in der wehleidigen deutschen Diskusrsarena weitgehend ignoriert werden. Dabei sind sie sowohl für die Pandemie- wie für die Klimawandel-Bekämpfung ausergewöhnlich relevant.
Am wenigsten begründen muss ich das für Brasilien, in dem die grössten Regenwaldflächen der Welt akut bedroht sind. Es hat sich ähnlich “freiwillig”, wie es die USA mit Trump getan hatten, einen dem Faschismus zum Verwechseln ähnlichen Präsidenten frei gewählt, und würde es nach aktuellen Erkenntnissen nicht wieder tun. Thilo F. Papacek/Jungle World berichtet. Daraus geht hervor, dass das Militär eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung von Machtfragen spielt, aber kaum jemand eine Ahnung davon hat, was diese in Brasilien besonders mächtige Institution will. Oder inwiefern sich auch dort, wie fast überall, interne potenziell gewalttätige Interessengegegensätze hineingefressen haben.
Über die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Tschad berichtet Bernard Schmid/telepolis in bewährter, differenzierender Qualität. Diese Geschichte ist ein starkes Indiz für das Desaster, das die postkolonialistische Politik Frankreichs in grossen Teilen Afrikas angerichtet hat. Die alte Kolonialmacht weiss über ihr eigenes Dilemma bestens Bescheid, und reagiert gerade deswegen immer hypernervöser und fehlerhafter, weil im Hintergrund andere Mächte (von den USA über China bis Deutschland) auf Fenster der Gelegenheit lauern. Nirgendwo sind die Wachstumspotenziale so riesig, wie in darniederliegenden Ökonomien.
Positiv überrascht bin ich von Marco Wenzels/nachdenkseiten kritischer Analyse der Rollen Russlands und Chinas im Putschgeschehen Myanmars. Bei den nachdenkseiten habe ich immer meine Lektüreprobleme mit den häufig apodiktischen Gut-und-Böse-Schemata, die eine politische Analyse in der Regel be- und verhindern. In diesem Fall ist das anders, und damit wohltuend informativ.
Einer, der davon immer einen Begriff hatte, war der langjährige telepolis-Chefredakteur Florian Rötzer, dessen Arbeit ich lange bewundert und geschätzt habe, und der nun seit einiger Zeit in Rente gegangen ist. Mein aktuelles Unbehagen ist, dass das Magazin seitdem an Originalität eingebüsst hat. Und ich hoffe noch, dass das nicht so bleibt, sondern sich das neue Team noch einspielen muss. Rötzers kritisches Potenzial wird schön in seinem Gespräch mit Nicola Gess deutlich, die als Literaturwissenschaftlerin über “Halbwahrheiten” geforscht und publiziert hat.
was brasilien betrifft, da muß ich dich enttäuschen. hoy por hoy (heute, morgen ist ein anderer tag) würden die brasilianer wieder den deutschstämmigen jair messias bolsonaro wählen, daran kann gar kein zweifel bestehen. eine protestkultur wie in argentinien gibt es dort nicht, der brasuca ist immer noch überwiegend devot gegenüber machtmißbrauch (die top-klubs in teuropien lieben brasilianer) und am freitag war die registrierte anzahl von neuinfektionen nichtmal doppelt so hoch wie in argentinien, obgleich die silberländer 5mal so wenig ew haben. schönen sonntach! chau, schalke!
achso:
45.168 zu 27.884. (argentinien hat halb so viele ew wie teutonien.)