von Bernd Müller

Rettet die Honigbiene! – Eine aktuelle deutsch-japanische Studie zeigt, dass Glyphosat die für Insekten lebenswichtige Gemeinschaft mit Bakterien zerstört.
Glyphosat ist umstritten. Es ist das am meisten angewandte Unkrautvernichtungsmittel – und es steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Umweltschützer hatten in der Vergangenheit immer wieder betont, das Mittel sei verantwortlich für den Rückgang der Insekten. Ihre Warnung verhallte ungehört – bis jetzt.

Der Chemiekonzern Bayer wiegelte als Hersteller von Glyphosat bislang ab. Das Mittel habe schon deshalb keinen negativen Einfluss auf die Vielfalt von Insekten, heißt es auf der Internetseite des Unternehmens, „weil es zu Zeitpunkten eingesetzt wird, an denen auf dem Acker ohnehin nichts blüht“. Es könne auch nicht gesagt werden, Bienen würden durch Glyphosat geschädigt, da es bis heute „keine unter realistischen Bedingungen durchgeführte Studie“ gebe.

Untersucht wurde der Getreideplattkäfer

Nun aber hat eine Gruppe von Wissenschaftlern der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena und des National Institute of Advanced Industrial Science and Technology in Japan nachweisen können, dass Glyphosat Insekten indirekt schädigen kann. Die Studie wurde am Dienstag im Max-Planck-Institut vorgestellt. Untersucht hatten sie den Getreideplattkäfer. Er lebt in enger Gemeinschaft mit Bakterien, die ihm wichtige Bausteine für die Bildung des Außenskeletts liefern, das sie vor Trockenheit und Feinden schützt. Die Forscher konnten nun zeigen: Käfer, die Glyphosat ausgesetzt sind, erhalten von den Bakterien nicht mehr die benötigten Bausteine. So trage das Herbizid indirekt zum massenhaften Sterben der Insekten bei.

Lebewesen existieren nicht isoliert, sondern stehen in Wechselwirkung mit anderen Organismen, und das muss berücksichtigt werden, will man beurteilen, wie sich menschliche Aktivitäten auswirken. Vor allem Insekten profitieren von ihrer Lebensgemeinschaft mit Bakterien in vielfältiger Weise, heißt es bei der Max-Planck-Gesellschaft, aber das mache sie auch anfällig. Glyphosat soll das Wachstum von Pflanzen unterdrücken. Dazu wirkt es auf die Bildung von bestimmten Aminosäuren ein.

Dieser Stoffwechselweg, der sogenannte Shikimatweg, in den das Mittel eingreift, kommt allerdings nicht nur in Pflanzen vor, sondern auch bei vielen Mikroorganismen. Tiere dagegen weisen ihn nicht auf, was bislang zu der Annahme verleitete, sie könnten nicht durch Glyphosat geschädigt werden. Wird allerdings die wechselseitige Symbiose von Tieren und Mikroorganismen berücksichtigt, ändert sich das Bild; denn viele Tiere beziehen wichtige Aminosäuren von den Bakterien.

Ohne bestimmte Bakterien wird die Biene stressanfällig

„Ein Einfluss von Glyphosat auf Tiere über ihre essentiellen, bakteriellen Partner, die den Shikimat-Stoffwechselweg nutzen, oder sogar auf diesen spezialisiert sind, liegt im Prinzip nahe, sobald man die Interaktion beider Partner versteht“, erklärte Tobias Engl, einer der Hauptautoren der Studie. Die Honigbiene ist ein Beispiel dafür. In ihrem Darm leben Mikroorganismen, auf die Glyphosat einen negativen Einfluss hat. Die Biene wird dadurch wiederum anfälliger für verschiedene Stressfaktoren. Viele pflanzenfressende Insekten benötigen die Aminosäure Tyrosin, um ihr Außenskelett zu bilden. Die Bakterien, die Tyrosin produzieren, können aber durch Glyphosat beeinträchtigt werden.

Die Forscher zeigten in der Studie nun, dass Glyphosat einen negativen Einfluss auf Mikroorganismen hat, die der Getreidekäfer Oryzaephilus surinamensis in sich trägt. „Da wir beobachten konnten, wie Glyphosat die symbiotische Gemeinschaft schädigt, fragten wir uns, ob Glyphosat auch für andere Insekten, die auf ihre mikrobiellen Partner angewiesen sind, eine generelle Gefahr darstellt“, meint Tobias Engl. Mithilfe stammesgeschichtlicher Analysen zeigten die Studienautoren, dass viele Bakterien, die für Insekten unentbehrlich sind, empfindlich auf Glyphosat reagieren. Dies sei die Achillesferse von Insekten.

Wieviele Insektenarten letztlich auf eine Symbiose mit Mikroorganismen angewiesen sind, lässt sich nur schwer bestimmen. Studienautor Tobias Engl erklärte auf Anfrage: „Die Schätzungen, wieviele Insekten in engen Symbiosen mit Mikroorganismen leben, sind extrem variabel. Konservativ etwa zehn bis 30 Prozent.“ Bei wesentlich mehr dürften Mikroorganismen immerhin noch eine positive Wirkung auf den Darm haben. Doch zur genaueren Klärung brauche es noch weitere Studien.

Bernd Müller ist Umweltingenieur und seit zehn Jahren als freier Journalist tätig.

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