Zu beschäftigt – Olafs Hamburger Klassenverhältnisse interessieren nicht, der ist schon verdaut
Extradienst-Leser*innen kennen den Merkelwitz-Klassiker seit vielen Jahren. Was passiert, wenn mann Angela Merkel in ein Haifischbecken schubst? Nach einiger Zeit sind alle Haie tot. Die meisten Opfer fügten sich irgendwann in ihr Schicksal, wurden Bundespräsident oder Aufsichtsrat eines Milliardärs-Investmentfonds. Einen Junghai ereilte sein Schicksal nun auf den letzten Bundeskanzlerinnen-Metern.
Der Junghai Jens Spahn hat schmerzfrei und vorwitzig eine Menge angestellt. Nur wenige Monate im vorigen Jahr sah es vorübergehend besser für ihn aus. Sein Antreten als “Vize-Kanzlerkandidat” des aussichtsreichsten Bewerbers Armin Laschet erweckte den vordergründigen Eindruck von Klugheit und Reife. Sein ernstes TV-Gesicht in den zahllosen Corona-Sondersendungen des German Television erweckte bei vielen Zuschauer*innen ersten Verdacht auf Seriosität. Doch diese Infektion des politischen Verstandes liess schnell wieder nach. Der Junghai sorgte selbst dafür. Seine Versuche, sich bei seinen Fehlern nicht erwischen zu lassen, erhöhten die Medienaufmerksamkeit so, dass es niemand mehr verpasste. In der westwestfälischen Leitkultur seines von Grossagrariern, Kreissparkassen und Raiffeisenbanken beherrschten Landkreises konnte er die Kultur teildemokratischer Öffentlichkeiten nicht erlernen.
Ulrich Horns Gastbeitrag “Der Minister für heisse Luft” war unter den meistgeklickten dieses Jahres. Er hat analytisch vorausgesehen, was den Fall des Bundesministers Spahn jetzt abschliessend erledigen könnte: nach den Maskenaffären seiner Parteifreunde nun der Abrechnungsbetrug von Testzentren. Es zeigt nicht, dass der arme Jens nur von bösen Verbrechern umgeben ist. Die machen halt, was Kapitaleigner im Kapitalismus so machen. Der Minister erweist sich als unfähig, Regeln aufzustellen, die die Banditen gesetzlich auf Zivilisation verpflichten. Gesetzlosigkeit schafft Gesetzlose (“Outlaws”). Und wer hat das gemacht? Der Jens war es.
So erfüllt sich das Gesetz, dass Gesundheitsminister*innen an ihrer Aufgabe immer scheitern, ihre Ernennung also eine akute Bedrohung ihrer politischen Karriere ist. Anders als bei den Verkehrsministern: die können scheisse sein, und es schadet ihnen kein bisschen.
Olaf Scholz nur noch ein kleiner Fisch
Den Olaf Scholz muss Angela Merkel nicht fressen. Der ist für sie und ihre Partei keine Bedrohung, sondern nützlich. Längere Zeit haben er, und noch mehr seine Partei, das schöne Hamburg regiert. Von dort erfahren wir nun von Friederike Gräff/taz den Klassencharakter des Corona-Virus. Eine ähnliche Reportage hätte sie auch in Essen, Köln oder Bonn machen können. Es ist überall so (= Klassencharakter).
Olaf Scholz und seine SPD haben das nie ernsthaft zu ändern versucht. Das zeichnet Birgit Gärtner/telepolis in einem aufwändigen Zweiteiler nach. Sympathien müssen Sie dort nicht befürchten. Obwohl: wenn sich eine Autorin noch so viel Arbeit mit dem Kerl macht – warum eigentlich? Suchen Sie die Antwort selbst.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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