von Gert Samuel
Der „Green Deal“ ist in vieler Munde. Auch die EU-Kommission inklusive Parlament und Rat „sind dafür“ und arbeiten an einem „European Green Deal“. Jedoch spielt dieses Thema im laufenden Bundestagswahlkampf, wenn überhaupt, nur eine nebensächliche Rolle. Es folgen zwei Anregungen zum Hintergrund sowie eine Rezension. Alle drei Bücher leben von Hoffnungen und Überzeugungen auf positive Wirkungen, benennen zugleich allerdings politische Gegenkräfte und zu überwindende Hindernisse.
Anregungen
In einer „Flugschrift“ holt Steffen Lehndorff („New Deal heißt Mut zum Konflikt. Was wir von Roosevelts Reformpolitik der 1930er Jahre heute lernen können“) die Geschichte in die Gegenwart und öffnet die Köpfe und Gedanken für das Verstehen einer radikalen Wende in der Wirtschaftspolitik der damaligen US-Regierung, als ein Lehrbeispiel auch für aktuell aktive Bewegungen.
Hinweisen möchte ich ebenso auf das 2019 erschienene Buch von Naomi Klein, „Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann“, das wichtige Aufsätze der Autorin aus dem Zeitraum von 2010 bis 2019 enthält und in denen sie unter anderem auf den Schwung und Elan setzt, den „Fridays for Future“ in die politische Auseinandersetzung um die Klimapolitik eingebracht haben.
Der weltweit bekannte linke Intellektuelle Noam Chomsky und Robert Pollin (Professor für Wirtschaftswissenschaften) sind davon überzeugt, dass ein globaler „Green New Deal“ eine realistische Chance darstellt, die Klimakrise sowohl politisch als auch wirtschaftlich zu überwinden. Sie kritisieren Verlauf und Ergebnisse der bisherigen internationalen Klimagipfel, die damit gescheitert seien, die oft vollmundigen Ziele zu erreichen.
Chomsky und Pollin beschreiben die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die das von ihnen skizzierte Programm eines weltweiten „Green New Deals“ mit sich bringen. Die weitaus größte Herausforderung für einen Erfolg sehen sie allerdings in dem notwendigen politischen Willen, den es braucht, um gegen die Interessen und Mittel der globalen Erdöl-, Kohle- und Erdgasindustrie anzugehen. Besonderen Nachdruck legen sie in ihrem Plan für einen globalen „Green New Deal“ auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Verbesserung des Lebensstandards von Arbeiter*innen und armen Menschen auf der ganzen Welt im Einklang der Stabilisierung des Klimas.
Pollin entwirft im dritten von vier Kapiteln dieses Buches das Programm, das es für einen erfolgreichen Übergang hin zu einer ökologischeren Wirtschaft braucht und wie ein weltweiter „Green New Deal“ finanziert werden kann. Obenan stehen zum einen die erforderlichen Investitionen in den drastischen Ausbau einer sauberen und erneuerbaren Energieversorgung – vor allem mittels Solar- und Windenergie –, die allen Regionen auf der Erde zugänglich gemacht wird; zum anderen die ebenso drastische Verbesserung von Energieeffizienzstandards in Gebäuden, Kraftfahrzeugen und öffentlichen Transportsystemen. Technologische Lösungsansätze („Geo-Engineering“, „Carbon Capture and Sequestration = CO2-Abscheidung und -Speicherung) sowie die Aufforstung seien dagegen nicht in der Lage, einen bedeutenden Beitrag zur Bekämpfung der globalen Erwärmung zu leisten.
Im weiteren umreißt Robert Pollin die finanzpolitischen Rahmenbedingungen für den globalen „Green New Deal“, wobei die Maßnahmen innerhalb eines jeden Landes auf die jeweiligen spezifischen Bedingungen zugeschnitten sein müssten. Der Anhang zum Buch enthält ein Finanzierungsmodell, das die Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz für 2024 (als erstem Jahr im gebotenen Investitionszyklus) mit 2,6 Billionen US-Dollar (= 2,5 Prozent des globalen BIP) beziffert sowie die staatlichen wie auch die privaten Finanzierungsquellen, die jeweils 1,3 Billionen US-Dollar aufbringen müssen. Zum European „Green Deal“ merkt Pollin an, dass es dabei darauf ankomme, die hochtrabende Rhetorik in ein ernstzunehmendes Programm zu verwandeln, da die vorliegende Kostenplanung mit einer Billion Euro für den Zeitraum von 2021 bis 2030 mit nur durchschnittlich 100 Milliarden Euro pro Jahr und somit nur etwa 0,5 Prozent des gesamten BIP der EU pro Jahr viel zu gering ausfalle.
In Kapitel vier behandeln Chomsky und Pollin Fragen der politischen Mobilisierung zur Rettung des Planeten und gehen dabei unter anderem auf die Aktionen von Klimaaktivist*innen ein. Die Autoren verstehen das Buch als einen kleinen Beitrag zu einer öffentlichen Debatte, die voranzubringen allen nachkommenden Generationen geschuldet ist. Das Buch ist zudem eine vertiefende Ergänzung zum hier schon besprochenen „Rebellion oder Untergang!“ von Noam Chomsky.
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