Buchbesprechung von Gert Samuel
Auf der Suche nach Faktoren, die zu den nur spärlichen und nicht ausreichenden Fortschritten bei der Reduktion schädlicher CO2-Emissionen in Europa und in Deutschland geführt haben, finden Susanne Götze und Annika Joeres eine Vielzahl von Fakten und organisatorischen Verbindungen der Gegner*innen einer effektiven Klimapolitik. Deren Fülle ist beinahe erschlagend. Den Autorinnen gelingt es im zweiten Teil des Buches – „Die Klimaschmutzlobby in Aktion“ –, die Strukturen einer international tätigen Lobby transparent zu machen, der es in Brüssel auf EU-Ebene ebenso gelingt, ihre Interessen durchzusetzen wie in Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder in den osteuropäischen Ländern wie Polen und Tschechien.

Hilfreich sind darüber hinaus die von den Autorinnen dokumentierten Informationen über das Zusammenwirken neoliberaler Thinktanks in den USA und Europa mit den finanziell von wichtigen Konzernen großzügig unterstützten Denkfabriken der Klimaschmutzlobby diesseits und jenseits des Atlantiks.

Die Klimaschmutzlobby rekrutiere sich vor allem aus der Energie- (Kohle und Gas), der Verkehrs- (Automobil und Luftfahrt) sowie der Landwirtschaftsindustrie. Deren vorrangiges Ziel ist stets die Sicherung der eigenen Profite und der erreichten Macht durch Einflussnahme auf Parteien, Regierungen und die öffentliche Meinung. Dabei enthalten die Aktivitäten der Klimaschutz-Gegner*innen das Leugnen der Klimakrise, bewirken das Verhindern und Verzögern von wirksamer Klimapolitik und führen zum Ausbremsen der Energiewende.

Die Autorinnen unterscheiden die Akteure der Klimaschmutzlobby in Bremser, Leugner und Populisten; zwischendurch taucht zudem der Begriff Skeptiker auf. „Verteidiger des vorigen Jahrhunderts“ und „unsichtbare Klimaschutz-Bremser“ – diese weiteren Einstufungen schaffen eher Verwirrung als dass sie die begrifflichen Abgrenzungen erläutern oder präzisieren helfen. Letztlich wird das von den Autorinnen angestrebte bessere Verständnis der „Komplexität der Klimaschmutzlobby“ mittels dieser Unterscheidungen nicht erreicht. Bedauerlicherweise wird das Versagen einflussreicher meinungsbildenden Medien in Sachen offensiver Klimapolitik nur einmal sehr kurz mit Blick auf Großbritannien erwähnt. Möglicherweise ist zu diesem Thema ja ein separates Buch geplant? Notwendig ist es allemal.

So wichtig die Einsicht in die Aktivitäten dieser Lobby auch sind, so verkürzt bleibt leider der Zusammenhang zwischen Klimapolitik, Energiewende und Erneuerbaren Energien. Zu selten wird gezeigt, dass gerade die Lobbyisten der deutschen Energiekonzerne es seit den 1990er Jahren ständig versucht haben, den Ausbau der Erneuerbaren Energien als grundlegenden Bestandteil einer effektiven Klimapolitik zu hintertreiben. Die zum Abschluss des Buches formulierten „fünf Maßnahmen der Klimaschmutzlobby“ belegen diesen zentralen Mangel, der wohl durch einen eingeengten Blick auf die CO2-Emissionen begünstigt wird: Ohne den dringend gebotenen und schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien überhaupt zu erwähnen, stehen monetarisierte und individualisierte Vorschläge obenan: „klimaschädlichen Konsum teurer machen“, „zu weniger Fleisch überzeugen“, „Müll vermeiden“. Erforderliche politische Rahmenbedingungen für das Gelingen einer klimafreundlichen Energiepolitik zu formulieren sieht dann doch anders aus.
Susanne Götze, Annika Joeres, Die Klimaschmutzlobby. Wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen Piper 2020, 304 Seiten, 20,00 €

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