mit Update 29.10.
Einige Hinweise für ernsthaftes Interesse am VfL 1900 Borussia Mönchengladbach
Bis heute habe ich den in NRW arbeitenden Sportjournalisten Daniel Theweleit für einen kompetenten (und gut schreibenden) Fussballjournalisten gehalten. Als Gladbach-Fan bin ich es ausserdem gewöhnt, bevorzuge es sogar gegenüber kompetentem Interesse, wenn was-mit-Medien-Leute das Sportmodell Borussia Mönchengladbach nicht verstehen und ignorant verharren. Denn das ist Teil des Sportmodells. Ein Medieninteresse wie in Barcelona, München, Hamburg, Frankfurt oder Berlin würde die Preise verderben und die Entwicklung von Teamgeist erschweren.. Wenn die Konkurrenz doof bleibt, ist sie besser auszuspielen (wie gestern). Dazu leistet Herr Theweleit heute seinen “solidarischen” Beitrag in der FAZ.
Zum 7:1 der Borussia gegen Inter Mailand 1971, dessen Hörfunkreportage durch Heribert Fassbender ich heute noch aufsagen kann (WDR2 schaltete sich erst in der Schlussphase nach den 21-Uhr-Nachrichten drauf, es stand bereits 6:1 und Fassbender brachte “nur” das 7:1 über den Sender; eine TV-Ausstrahlung gab es überhaupt nicht), zu diesem zweifellos epochalen Ereignis schreibt Theweleit in der FAZ: “ein Spektakel, das einsam an der Spitze im Ranking der besten Spiele in der Geschichte von Borussia Mönchengladbach steht.” Einsam an der Spitze – was für ein Unsinn. Das kann mann nur schreiben, wenn mann sich noch nie für den Verein, seine Mannschaften und ihre Geschichte interessiert hat.
Ich will nicht mit dem 7:0 gegen den SSV Reutlingen in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga 1965, und dem gleichzeitigen Aufstieg mit dem gestrigen Gegner anfangen. Obwohl: doch! 1966 folgte ein 8:3 gegen den damaligen Rekordmeister 1. FC Nürnberg; beim Meister dieser Saison 1860 München drehte die Borussia auswärts einen 1:3 Rückstand zu einem 3.3 in den letzten 10 Minuten (alle drei Tore Herbert Laumen). In der Folgesaison wurde der BVB mit 4:0 und S04 mit 11:0 (im Tor der bedauernswerte Friedel Elting) nachhause geschickt. Das blieb Bundesligarekord, bis die Borussia ihn selbst brach: 1978 mit einem 12:0 gegen den BVB (Trainer: Otto “Torhagel”) am letzten Spieltag 1978 (während dieser Radio-Konferenzschaltung lief ich durchgehend erregt im Dachgeschoss unserer WG auf und ab, und schrie nach jedem Tor den Spielstand aus dem Fenster). Das 5:1 auswärts bei Twente Enschede (= Uefa-Cupfinale) habe ich auf DVD.
Tief im Herzen aller Gladbach-Fans bleibt ein Europapokal-Viertelfinale bei Real Madrid (1:1), bei dem Henning Jensen zwei Tore schoss, die der Schiri nicht gesehen haben wollte (nee eins war von Wittkamp, für dessen Begutachtung beim Probetraining Hennes Weisweiler den Jurastudenten Heribert Fassbender aus dem Bett klingelte). 1985 gabs “Rache” gegen den gleichen Gegner im Achtelfinale: 5:1 in Düsseldorf (weil der Bökelberg zu klein war).
Beim 5:4 im Pokal-Halbfinale 1984 gegen Werder Bremen war ich selbst im Stadion, ebenso im dichten Schneetreiben am 10. März beim Meisterschaftsspiel gegen den späteren punktgleichen Meister VFB Stuttgart, die mutmasslich besten Spiele der Mannschaft unter Trainer Jupp Heynckes. Frank Mill lief ca. ein halbes Dutzend Mal in überragenden Kontern allein auf Torwart Helmut Roleder zu, und erlöste uns erst in der 76. Minute (2:0).
Damit sind die Geschichten um Hans Meyer und Lucien Favre noch gar nicht erzählt. Erwähnte ich das Pokalfinale 1973, FC-Fan Roland Appel wird sich erinnern? Auch damals ein ganz heisser Sommer. Nicht wenige hatten niemals zuvor ein besseres Fussballspiel gesehen.
Was für ein Wicht, dieser Theweleit. Mögen die Journalisten doof bleiben, damit Verein, Manager, Trainer und Mannschaft in Ruhe arbeiten können.
Update 29.10.: Auf taz.de erschien ein Spielbericht von Daniel Theweleit, der die abwegige FAZ-Formulierung vorsichtiger abwandelt: “das damalige 7:1 gegen Inter Mailand … , das als beste Partie der Klubgeschichte gilt”. Auch darüber haben sachverständige Fans diverse Ansichten, die in dem “gilt” aber inklusive gedacht werden können. Jedenfalls hätte die taz-Ausdrucksweise (von der Redaktion lektoriert?) mich nicht so erregt zu diesem Text animiert. Also danke, Herr Theweleit! 😉
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Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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