Ob bei Fischereirechten, Verteilung von Corona-Impfstoffen oder der Rolle Chinas: Bei der Konferenz der Welthandelsorganisation in Genf sind wenig Ergebnisse zu erwarten
Wie relevant ist die Welthandelsorganisation (WTO) noch? Bis heute wurden ihre vor 20 Jahren auf der WTO-Konferenz von Doha verkündeten Absichtserklärungen über mehr Unterstützung für ärmere Länder, neue Handelsabkommen und neue Regeln für den Welthandel nicht umgesetzt. Das einst als große völkerrechtliche Neuerung hochgelobte WTO-interne Streitschlichtungsverfahren funktioniert wegen der Blockade durch die USA nur eingeschränkt. Auch die 12. MinisterInnenkonferenz, die am kommenden Montag in Genf beginnen soll, dürfte das Siechtum der Organisation kaum überwinden. Zu groß sind die Egoismen und widerstreitenden Interessen insbesondere der vier gewichtigsten WTO-Mitglieder, USA, EU, China und Japan.
Das gilt auch für eines der diesmal wichtigsten Themen, den Fischfang. Bereits seit der Doha-Konferenz im November 2001 verhandelt die WTO ein Abkommen über Fischereisubventionen, die den Fischfang derzeit auch Tausende Kilometer von der Heimat entfernt lukrativ machen. Dabei ist ein Drittel der Bestände weltweit überfischt. Darunter leiden in erster Linie die ärmeren Staaten des Globalen Südens. Einer kanadischen Studie zufolge betrugen die Fischereisubventionen 2018 weltweit 31 Milliarden Euro, 63 Prozent davon wurden als „schädlich“ eingestuft. Größte Subventionsgeber sind China, gefolgt von Japan und der EU. China ist auch besonders stark in Gewässern fernab der heimischen Küsten aktiv. Natürlich behaupten alle subventionierenden WTO-Mitglieder, ihre Zahlungen seien verantwortungsbewusst. Die Länder des Südens wollen Zugeständnisse, damit sie ihre Fischerei noch ausbauen können. Nach Einschätzung von Genfer HandelsdiplomatInnen wäre daher bestenfalls eine Einigung denkbar, die keine Kürzung von Subventionen vorsieht. Länder müssten dann allerdings nachweisen, dass ihre Subventionen nicht schädlich sind. Wenigstens gebe es dann ein System, in dem Länder ihre Subventionen offenlegen und sich dem prüfenden Blick der anderen aussetzen müssten.
Um eine schnelle und global gerechte Verteilung und Versorgung mit Corona-Impfstoffen zu ermöglichen, fordern zudem über 100 der 164 WTO-Mitglieder bereits seit Oktober vergangenen Jahres eine vorübergehende Aufhebung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe, der im WTO-Abkommen über den Schutz geistiger Eigentumsrechte (TRIPS) verankert ist. In bislang acht ergebnislosen Verhandlungsrunden des zuständigen WTO-Ausschusses hat vor allem die EU diese Forderung blockiert. Bei dieser in Brüssel wesentlich von Deutschland durchgesetzten Haltung will die EU auch in Genf bleiben, obwohl sich die von ihr propagierten Alternativen für mehr Impfungen in den Ländern des Südens sämtlich als unzureichend erwiesen haben. Die USA, auch selbst Impfstoffhersteller, hatten ihre Einwände gegen eine vorübergehende Aufhebung des Patentschutzes bereits im Mai weitgehend zurückgenommen.
Die EU ist allerhöchstens bereit, besonders impfstoffbedürftigen Ländern die Möglichkeit zu Zwangslizenzen einzuräumen. Damit können diese Länder zwar ohne Zustimmung der Pharmakonzerne die Nutzung von Patenten und damit die Produktion anordnen. Der Patentschutz bliebe aber in Kraft, neue Produzenten müssten Lizenzgebühren zahlen. Außerdem könnten die in Genf versammelten MinisterInnen in einer gemeinsamen Erklärung zu „Handel und Gesundheit“ auch versprechen, die lange weit verbreiteten Handelsbarrieren bei Masken und anderem medizinischen Schutzmaterial fallen zu lassen.
Die Streitschlichtung bei Handelsdisputen funktioniert nur noch in erster Instanz
Weiteres Thema: die Streitschlichtung bei Handelsdisputen. Diese funktioniert seit Ende 2019 nur noch in erster Instanz, weil US-Präsident Donald Trump die Ernennung von Mitgliedern der Berufungsinstanz blockierte. Die Biden-Regierung setzt die Blockade bislang fort. Damit will Washington Reformen erzwingen. Insbesondere die WTO-Regeln für Staatsbetriebe und die Kontrolle von Subventionen sind den USA wichtig. Die Forderungen zielen in erster Linie auf China. Nicht nur die USA, auch die EU, Kanada und andere Industriestaaten werfen Peking vor, mit der Bevorzugung eigener Staatsbetriebe gegenüber in China tätigen ausländischen Unternehmen sowie mit zumindest überhöhten Subventionen WTO-Regeln zu verletzten. China kontert diese Vorwürfe mit dem Hinweis auf seinen Status als „Entwicklungsland“, mit dem es 2001 der WTO beigetreten ist.
Für Entwicklungsländer gelten bei den WTO-Abkommen und -Regeln oft schwächere Auflagen oder längere Übergangsfristen. Doch inzwischen ist China zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit aufgestiegen. Die EU teilt die Kritik an China weitgehend, kritisiert aber die Sabotage des Schlichtungsmechanismus, und das nicht ganz uneigennützig: Die unter Trump erlassenen „Strafzölle“ gegen die EU können so nicht im Rahmen der WTO geklärt werden.
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