Wenn am Stammtisch über die Politik in Berlin und die Eignung der Bundestagsabgeordneten diskutiert wird, fehlen oft grundlegende Kenntnisse. Daher wurde kürzlich eine Studie in Auftrag gegeben, die die soziologische, kulturelle und pathologische Struktur der Parlamentarier/innen herausarbeiten soll. Die Erhebung basiert auf der sogenannten Orakel-Methode. Mit dieser werden die Werturteile, Vorurteile und Vorbehalte gegenüber Politiker/innen einerseits und die Selbstdarstellungen, Selbsteinschätzungen und Fehleinschätzungen der Betroffenen gesammelt, geordnet und bewertet. Das Ergebnis erhebt dann den Anspruch auf Plausibilität.
Rasch hat sich gezeigt, dass der Bildungsstand der Abgeordneten erheblich von dem anderer Gruppen abweicht, in der Regel nach oben. Allerdings wussten die meisten nicht recht, was sie damit anfangen sollen. Sie wissen viel von sozialen Medien, während ihre Kenntnisse von sozialen Problemen nur unterdurchschnittlich sind. Die Ermittlung von Daten zur Allgemeinbildung und zur Einbildung und der dabei möglichen Verwechslungsgefahr scheiterte an fehlenden Messverfahren.
Entscheidungsbereitschaft und Entscheidungsfreude scheinen bei den Abgeordneten recht ausgeprägt zu sein. Anders sieht es mit der Entscheidungsfreiheit aus. Erst wenn Parteiprogramm, Koalitionsvereinbarung, Fraktionsbeschluss und Regierungsvorlage hinreichend berücksichtigt sind, können sie frei entscheiden. Wobei der Spielraum zumeist nicht erkennbar ist. Viele freuen sich dann schon, wenn sie in der Kantine zwischen verschiedenen Gerichten wählen können.
Fast alle Abgeordneten verfügen über Berufserfahrung, wobei man allerdings den Begriff „Beruf“ sehr weit fassen muss. Manche haben während ihrer Studienzeit gekellnert und Zeitungen ausgetragen, andere haben als Schüler/in Nachhilfeunterricht gegeben. Einige gaben an, dass sie als Jugendliche zu Hause entgeltlich den Rasen gemäht und den Hund ausgeführt haben.
Überraschend sind die Zielstrebigkeit und Kaltschnäuzigkeit, mit der die Abgeordneten schon in jüngeren Jahren ihre Lebensplanung betreiben. Fast jeder hat bereits geeignete Kontakte geknüpft, um zu wissen, wo sie/er landen kann, wenn es nicht mehr für den Bundestag reicht oder wenn er/sie wegen irgendwelcher versehentlichen Kleinigkeiten zurücktreten muss. Nachfragen haben gezeigt, dass die Abgeordneten recht wählerisch sind. So werden Beratertätigkeiten nur akzeptiert, wenn sie nicht mit Arbeit verbunden sind. Aufsichtsratsmandate sind beliebt, wenn sie mit internationalen Tagungen verknüpft sind, aber keine Fremdsprachenkenntnisse erfordern.
Die Untersuchung der Einkommensstruktur zeigt, dass alle Abgeordneten ein geregeltes Einkommen beziehen, die meisten arbeiten auch dafür. Einige sollen sogar verdienen, was sie verdienen. Andere meinen, dass sie im Vergleich zu Hochverdienenden zu wenig verdienen. Sie üben daher Nebentätigkeiten aus. Da liegt der Vergleich nahe mit jenen Bürger/innen, die zwei Jobs brauchen, um über die Runden zu kommen. Ungeachtet dessen besitzen die meisten Abgeordneten mehrere Immobilien, eine/n Zweitpartner/in und eine gehörige Portion Sitzfleisch. Die meisten Abgeordneten wohnen in Berlin; die anderen gaben an, zumindest schon einmal dort gewesen zu sein. Minderheiten sind im Parlament durchaus vertreten, jedoch keine Jugendlichen und keine Kinder. Deshalb geht auch niemand zur Schule oder in den Kindergarten (außer zu Wahlkampfzeiten).
Bundestagsabgeordnete gelten als alkoholfreundlich. Stress, Frust und Geselligkeit geben dazu vielfältige Anlässe. Ziemlich genau 85% aller Abgeordneten haben schon einmal Bier getrunken, einige tun es noch heute. Bei der CSU liegt der Wert über 100 %. Der Spitzenwert sind 200 Liter pro Jahr, das sind fünfeinhalb Glas täglich. Dennoch ist die Zahl der Alkoholiker/innen gering. Man munkelt von nur 20%, da das Alkoholtrinken im Plenum untersagt ist. Gerüchte besagen, dass dieser Umstand immer wieder zu einer dünnen Besetzung des Plenums führt.
Erfreulich ist, dass fast alle Abgeordneten Mitglied einer Partei sind. Fast 80% bekennen sich auch dazu. Manche waren im Laufe der Zeit sogar in verschiedenen Partien. Andere wünschen sich, sie wären in einer anderen Partei. Deutlich mehr als die Hälfte zahlt in ihrer Partei einen finanziellen Beitrag oder hat schon mit diesem Gedanken gespielt.
Interessante Ergebnisse brachte die Erhebung, aus welchen Gründen die Abgeordneten für das Parlament kandidiert hatten (Mehrfachnennungen waren möglich):
45% wollten Karriere machen,
26,355% wollten eine bestimmte politische Richtung/Partei unterstützen,
98% hielten sich für besser geeignet als die anderen Bewerber/innen,
38% freuen sich, dass sie sich in der Öffentlichkeit darstellen können,
12% wollten die Welt verändern,
0,4% gaben zu, dass sie eine gut bezahlte Tätigkeit angestrebt haben,
6,5% erklärten, gegen ihren Willen gewählt worden zu sein.
Zu klären war auch, warum die Abgeordneten sich gerade für ihre Partei engagieren. Zwei Drittel konnten dazu keine konkreten Angaben machen. Bei den anderen gab es zumeist Einzelbegründungen: Das ist bei uns Familientradition # Der Michael hatte mich mitgenommen # Ich konnte da mein Praktikum machen # Deren Jugendverband machte tolle Zeltlager # Der Pfarrer hatte gute Argumente # Ich wollte mal etwas ganz Anderes machen als mein Vater # An der Uni gab es so eine Clique # Die hatten die nettesten Mädchen.
In der Studie wurden nicht nur die Abgeordneten befragt, sondern auch ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung: „Was meinen Sie, warum die derzeitigen Abgeordneten sich für ein Parlamentsmandat beworben haben?“ Hier die Antworten (Mehrfachnennungen möglich):
88%: Sie haben nichts Besseres gelernt.
87%: Sie haben nichts Besseres kennengelernt.
78%: Sie haben nichts Besseres zu tun.
77%: Sie haben nichts Besseres verdient.
Diese Analyse reicht (völlig). Wir können festhalten, dass unsere Abgeordneten ein recht gutes Bild abgeben – wenn man nicht allzu scharf hinschaut. Da es aber in der Gesamtbevölkerung auch nicht besser aussieht, sollten wir uns keine Sorgen machen.
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