“Alles muss man heutzutage selber machen!” liess taz-Karikaturistin Kittihawk die Schweinswale sagen, die von Robert Habecks LNG-Terminals bedroht werden. Weils bei der taz nicht verlinkbar ist, musste ich zu einem bekannten asozialen Netzwerk weiterverweisen. Wie den Schweinswalen geht es auch deutschen Kriegsgegner*innen, von denen einige vorzugsweise larmoyant zu klagen belieben.
“Alles selbermachen” gilt z.B. für die Berichterstattung über russische Kriegsgegner*innen. Die gibt es wirklich! Darüber berichtet Bernhard Gulka/telepolis: “Russland: Störaktionen von Kriegsgegnern am Siegestag – Das wichtige Datum des 9. Mai haben russische Antikriegsaktivisten mit hohem persönlichen Risiko für effektvolle Aktionen gegen den Ukraine-Krieg genutzt”.
Jens Berger/nachdenkseiten klagt dagegen über eine “Gleichschaltung statt eines offenen Diskurses: Wieder einmal sind sich die Leitartikler der großen Medien erstaunlich einig. Von taz bis FAZ herrscht Konsens in der Ukraine-Frage. Putin ist der Alleinschuldige an der Eskalation und der Westen müsse nun gemeinsame Werte vorwärtsverteidigen und schwere Waffen liefern.” Nee, watt für eine Überraschung aber auch. In einem Medium, das in den letzten Jahren nach Kräften an all den Zellteilungen der sog. Partei “Die Linke” mitgeschuftet hat. Nach meinem persönlichen Eindruck geleitet von der Devise: “Rechthaben ist wichtiger, als Gesetz geben“.
Abstrusen auch in der taz veröffentlichten geschichtsrevisionistischen Thesen zum deutschen Faschismus tritt heute nachmittag Stefan Reinecke an gleicher Stelle entgegen.
Ähnlich hilflos und verdattert wie erwähnter Berger Harald Neuber/telepolis: “Die deutsche Nachkriegsära ist beendet – Lange wurde der 8. Mai in unbedingter Einheit mit der Machtergreifung Hitlers 1933 gesehen. Dieser Konsens gilt nicht mehr.” Zurecht lobt er die Weizsäcker-Rede von 1985. Dessen Stab gehörte eine kluge Schreiberin an, die wenige Jahre später Kreisverbandssprecherin der Bonner Grünen werden sollte. Falsch ist zu glauben, die “Nachkriegsära” werde erst jetzt beendet. Das hat schon Rot-Grün 1998-2005 übernommen, mit der Krönung des bei der Fifa (und in Qatar!) gekauften “Sommermärchens” 2006 (Fussball-WM in Deutschland, mit der jubelnden Neukanzlerin Merkel auf den Tribünen und in den Spielerkabinen). Der “entkrampfte Patriotismus” war – endlich, endlich – geboren. Ich habe ihn in der Berliner S-Bahn selbst gesehen. Und musste schnell nachhause (wie schon mal 1990).
Der verzwickten Lage weit näher kommt heute ein Text eines in der DDR ausgebildeten Wirtschaftswissenschaftlers. Jürgen Leibiger/Junge Welt schreibt unvermauert von der Paywall (= linke Medien können dazulernen, wenn sie nur wollen): “Klassengesellschadt BRD: Herrschaft der 300.000 – Vorabdruck. Wer gehört in Deutschland eigentlich zur Bourgeoisie? Zur Zusammensetzung der Kapitaleigner in der Bundesrepublik”. In dieser Bourgeoisie haben sich in diesem Jahr diejenigen durchgesetzt, die glauben, im strategischen Windschatten der Führungsmacht USA besser fahren zu können, als allzu mühselig eine eigene Strategie (in der EU? Ach, das ist sooo kompliziert!) zu entwickeln.
Die US-Bourgeoisie dagegen, das prädestiniert sie geradezu zur strategischen Führung, hat ein klares Konzept, das Adam Tooze/Freitag/Guardian Ihnen und mir gut erklärt: “Ist eine Eskalation in der Ukraine Teil der Strategie der USA? – Russland/USA Mit einem Lend-Lease-Programm riesigen Ausmaßes unterstützen die USA die Ukraine. Ein Lend-Lease-Programm ging auch dem Kriegseintritt der USA 1941 voraus. Wiederholt sich gerade die Geschichte?” Tooze’s Fazit: “Die Rechnung dahinter ist allerdings so kaltblütig, dass es kein Wunder ist, dass sie in nur halb erinnerten Geschichten vom Zweiten Weltkrieg verkleidet wird. Wobei das Happy End von damals vorausgesetzt wird, ohne offen über die dafür notwendigen Opfer zu reden.“ (Fettschrift von Extradienst)
Letzte Kommentare