Wer sind nun die Bratwürste? Die, die nicht wählengehen? Oder die, die ihnen kein seriöses Angebot machen? Es kommt in Mode, den Begriff “Bratwurst” als Beleidigung zu instrumentalisieren. Aber werden damit nicht gleich die mitgemeint, die gerne eine essen? Und sind die nun schuld am Klimawandel? Oder sind es nicht die, die schlechte Bratwürste industriell herstellen? Tja, sagen die heuchlerisch, wir würden ja gerne gute Bratwürste machen, aber “der Markt” (= die doofen Konsumentenmassen) verlangt die billige Bratwurst aus Massenschlachtmüll. Daraus ergibt sich zwingend: wenn die Welt also untergeht, liegt es an den Bratwurstbuden, Bratwurstessern und der Bratwurst selbst.
Fussball-Ultras denken weiter. Wenn wir also der Abschaum sind, ist eh alles egal. Dann machen wir “Pyro”, weil wir damit Aufmerksamkeit erregen und die da oben auf die Palme bringen. Dann demütigen wir schlechte Spieler, weil das so schön spektakulär ist. Dann nehmen wir mal eine Strassenbahn auseinander, weil dann alle Angst vor uns kriegen, und wir endlich auch mal wichtig werden. Mann gönnt sich ja sonst nichts.
Ich bekenne, ich kenne solche Leute. Meine Lieblingsbratwurst gibt es nicht mehr. Wenn ich spätabends von einer Jungdemokraten-Sitzung in der Essener City nachhause wollte, ging ich bis zur Südseite des Hauptbahnhofs, Strassenbahnhaltestelle Freistein. Dort war ich ein paar Minuten früher aus der Kälte raus, und konnte mir die Wartezeit an der Bratwurstbude verkürzen. Es war die beste Bratwurst in Essen, wie mir alle Fachleute bestätigten. Als Essen dann seine Urbanität, sein lebendiges Strassenleben mit dem U-Bahnbau ruinierte, musste die Bude unter die Erde umziehen. Lange hielt sie durch, aber irgendwann die Mietforderungen des Immobilienhais Deutsche Bahn nicht mehr aus. Futsch. Ende.
Lammwürste sind geschmacklich eine echte Alternative. Gibts nicht oft und überall. So wie die frische grobe Bratwust beim Metzger Huth im Beueler Momo. Nur an manchen Tagen, und immer sehr schnell weg. Die beim Bonner SC im Sportpark Nord sind immer recht akzeptabel, für Vierte Liga absolut ok. Aber schmecken die auch mit Fünfter Liga noch?
Wie komm’ ich drauf?
Jörg Magenau/DLF-Kultur hat eine Bratwurstbude kommentiert. Ein guter Mann, Literaturjournalist, der selbst das eine oder andere Buch geschrieben hat. Vor 15 Jahren hat er ein Gutes über die taz geschrieben, das ich seinerzeit im Freitag rezensierte. Jetzt schreibt er über Bratwürste. So ändern sich die Zeiten.
Dabei fällt mir die NRW-SPD ein. Über diese Bratwürste müsste ich auch mal wieder was schreiben. Aber jetzt ist Essenszeit. Später vielleicht.
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