Der Betreiber der Atomkraftwerke Isar 1 und Isar 2 (Preussen Elektra) setzt sich für längere Laufzeiten seiner Meiler ein. Er unterstützt damit ein Schreiben des Branchenverbands Kerntechnik an den Bundeskanzler mit dem Appell, die ablehnende Haltung der Bundesregierung zu überdenken und sich auf eine Notsituation bei der Energieversorgung vorzubereiten. Damit stellt sich das Unternehmen gegen die Auffassung des Wirtschafts- und Umweltministers, der zu einer abschlägigen Meinung gekommen war.
Das Angebot der Atomwirtschaft dürfte indes an den Grünen scheitern. In der Militär- und Rüstungspolitik haben sie aus gegebenem Anlass ihre Überzeugungen und Parteitagsbeschlüsse über Bord geworfen. In der Energiepolitik, die mit dem Überfall auf die Ukraine engstens verzahnt ist, ist das nicht erfolgt. Die Grünen widersetzen sich unverändert einer Verlängerung der Nutzung von Atomkraftwerken. Die Wende in der Rüstungspolitik muss offenbar reichen. Der Atomausstieg soll wie geplant in einigen Monaten erfolgen, rechtzeitig zum Winter, wenn der Energiebedarf am größten ist. Da hilft es nicht, dass zwei Drittel der Deutschen den Zeitplan beim Atomausstieg überdenken wollen.
Bei den CO2-erzeugenden Kohlekraftwerken vertritt die Bundesregierung eine andere Meinung. Aufgrund der geplanten Einschränkung der Stromerzeugung mit Gas sollen jene Kraftwerke, die gemäß Kohleausstiegsgesetz eigentlich in diesem Jahr stillzulegen sind, nicht vom Netz gehen, sondern zwei Jahre lang in Reserve gehalten werden.
Vielleicht sollten wir eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke tatsächlich sorgfältig erwägen. Atomkraft kann einen Teil unserer Energielücke füllen. Die Kraftwerke bestehen bereits, sie sind abgeschrieben und bisher weitgehend problemlos gelaufen. Im Gegensatz zu den Terminals für Flüssiggas, die wir erst noch errichten und finanzieren müssen, fallen keine Baukosten an. Der Strom dürfte also günstig sein. Der Betrieb ist weitestgehend CO2-neutral. Die Atomkraftwerksbetreiber erklären, dass ein längerer Betrieb keine technischen Probleme bereiten dürfte, wenn rasch entschieden wird.
Das Risiko einer Verlängerung des Betriebs von Atomkraftwerken wird als sehr gering eingeschätzt, zumal die deutschen Atomkraftwerke zu den weltweit sichersten gehören. 1957 wurde das erste deutsche Atomkraftwerk in Betrieb genommen, ein Forschungsreaktor in München. In den seitdem vergangenen 65 Jahren hat es laut Angaben der Umweltorganisation BUND vier Störfälle gegeben, wobei in einem Fall Radioaktivität ausgetreten ist. Menschen sind in keinem Fall zu Schaden gekommen.
Belgien will seine Atomkraftwerke zehn Jahre länger in Betrieb lassen. Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Polen wollen neue Atomkraftwerke bauen. Sind die dortigen Regierungen etwa leichtsinniger oder unwissender als die deutsche? Oder handelt es sich etwa beim Grünen Widerstand nicht um eine fachlich, sondern um eine ideologisch motivierte Haltung?
Manchen Mitbürger/innen kommt dabei die rot-grüne Atomentscheidung von 2001/02 in Erinnerung. Im Grünen Bundestagswahlprogramm hatte 1998 unmissverständlich die Forderung nach einem „sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie“ gestanden. Das war mit Kanzler Gerhard Schröder (damals Atom- und nicht Gaslobbyist) nicht zu machen. Er setzte mit Zustimmung der Grünen durch, dass den Kraftwerksbetreibern noch eine Laufzeit von 21 bis 24 Jahren zugebilligt wurde. Eine derart umfangreiche Verlängerung benötigen wir heute nicht. Markus Söder wäre mit drei bis fünf Jahren zufrieden.
Die Ausstiegsgeschichte ging übrigens noch weiter: Die ab 2005 regierende CDU-FDP-Koalition hob den rot-grünen Ausstiegsbeschluss 2010 wieder auf und gewährte den Atomkraftwerken eine Laufzeitverlängerung von durchschnittlich zwölf Jahren. Nach dem Atomunglück von Fukushima (2011) wurde der Ausstieg wieder vorgezogen, und zwar auf 2022.
Lieber Heiner,
die Forderung nach Verlängerung der AKW-Laufzeiten ist keine gute Idee. Sie ist auch nicht klimaneutral, denn verlängerte Laufzeiten bedeuten neuen Atombrennstoff, der aus Russland kommt, mehr Atommüll, der in zusätzlichen Castoren zwischengelagert werden muss, der Sicherheitsaufwand steigt ebenso wie die Entsorgungskosten und mehr von allem muss bewegt werden. Und angesichts der Kriegssituation im Europa die Gefahr eines Anschlages oder Cybersabotage gegen die Atommeiler. Derzeit liegen 25% der französischen Atomkraftwerke still, der französische Neubau hätte schon vor sechs Jahren fertig sein sollen. Finnland hat sein vor zwei Jahren genehmigtes Atomkraftwerk nun wegen der Verwendung russischer Technik eingestellt. Das gemeinsame Projekt Frankreichs und Großbritanniens ist ebenfalls in Verzug und wie Hans-Josef Fell hier ausführlich beschrieben hat,
https://extradienst.net/2022/03/10/und-sie-lernen-nichts-dazu/
ist Atom eine Sackgassentechnologie und wenn die sonst so biegsamen Grünen hier Kurs halten, hat das nichts mit Ideologie, sondern mit Wissenschaft zu tun. Frankreich ist übrigens gerade dabei, in eine energiepolitisch-ökonomische Falle zu laufen. Die “kleinen AKW”, die Macron und Rolls-Royce bauen wollen, laufen ausschließlich mit russischem Uran.