Klima und Flucht – gibt es Wichtigeres?
Der Kollege René Martens hat bei mir als Leser seiner MDR-Altpapier-Kolumne erneut einen Treffer gelandet. Er zitiert den bei der re:publica aufgetretenen Wolfgang Blau, einen der Pioniere von wohlverstandenem Onlinejournalismus, und ich gebe diese Zitate hier gerne weiter:
“Journalismus ist primär eine rückblickende Tätigkeit. Über 90 Prozent der journalistischen Ressourcen (…) setzen wir (dafür) ein, zu verstehen und zu berichten, was gerade passiert ist oder was jetzt gleich unmittelbar passieren wird – (und) dann zu interpretieren, was das bedeutet. Die Klimakrise zwingt uns aber, Ereignisse und abzuwendende Ereignisse im Jahr 2030 zu diskutieren, gegen die jetzt schon Steuergelder investiert werden oder gern die Unternehmen investieren (…) Oder im Fall der EU 2050 oder 2045. Oder im Fall indischer und chinesischer Klimaversprechen (…) 2060, 2070. Mir fällt kein einziges Beispiel aus der Journalismusgeschichte ein, in der Journalismus gezwungen war, so weit in die Zukunft zu schauen. … Was Sie und ihr alle tun könnt: (…) euer Nachrichtenmedium, das ihr ohnehin nutzt, konstruktiv unter Druck setzen (…) Und, mehr als alles sonst, (…) eure öffentlich-rechtlichen Medien ARD und ZDF an ihren bestehenden journalistischen Bildungsauftrag erinner(n). … Das Etablieren von allgemeinem Klima-Grundwissen, den wichtigsten Emissionsquellen, dem Zeitraum, der uns zur Verfügung steht, der Rolle nicht nur der Energiewirtschaft, sondern beispielsweise auch der Landwirtschaft, der Bauwirtschaft, der Zementindustrie, der Textilwirtschaft, der Mode – dieses Grundwissen zu vermitteln, ist der mit Abstand wichtigste journalistische Bildungsauftrag dieser nächsten Jahre, und die Öffentlich-Rechtlichen haben dort eine wirklich große Verantwortung (…).”
Von meiner Seite bedarf das keines Kommentars.
Mediathekperlen – statt langweiligem Fussball
ARTE hat heute linear, und noch besser in seiner Mediathek, einen qualitativen Knaller. Martens weist in seiner Kolumne darauf hin. Andere aufmerksamkeitserregende Beiträge konnte ich nicht entdecken.
“Generation Africa – Migration neu erzählen. Migration erzählen, aber dieses Mal aus afrikanischer Perspektive – das hat sich das Projekt ‘Generation Africa’ zur Aufgabe gemacht. Junge Filmtalente machen sich auf die Suche nach der Geschichte ihrer Wurzeln, sprechen von Vertreibung und Flucht, von Heimat und dem Ankommen in der Fremde. Was motiviert junge Menschen zu gehen oder zu bleiben? Finden Sie hier die gesamte Dokumentarfilmreihe.”
Unter dem Link finden Sie 20 Dokumentarfilme. Das Besondere: sie sind nicht von mitteleuropäischen Auslandskorrespondent*inn*en gemacht, also vom eurozentrischen Blick befreit. Es wäre heute infrastrukturell und technisch längst möglich, das zum journalistischen Alltag zu machen. Aber dafür fehlt der politische Wille, besonders in den “Anstalten” selbst.
Achten Sie bei den einzelnen Beiträgen darauf, dass sie unterschiedliche Verweildauern in der ARTE-Mediathek haben. Dieser Sommer muss Ihnen jedenfalls nicht langweilig werden.
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