Depressionen sind ein eigenes Publikationsgenre, ihre systemischen – neben den zahllosen individuellen – Ursachen dagegen (noch) nicht

Friedrich Küppersbusch, TV-Produzent von “Chéz Krömer”, hatte ich spontan zum verdienten Grimme-Preis gratuliert. Zu lange wurde die Depressions-Pandemie öffentlich beschwiegen und ignoriert. Das ist ein erster (Fort-)Schritt, vergleichbar der segensreichen #metoo-Bewegung. Bis zur wirkungsvollen gesellschaftlichen (!) Bekämpfung bleibt noch ein weiter Weg.

Das bemängelt auch Konstantin Nowotny/Jungle World, der entsprechende Bücher von Ronja von Rönne und Kurt Krömer kritisch rezensiert. Solche Bücher sind selbst Ausdruck der “Maschine” (ich trage im Sommer gerne ein vielbewundertes T-Shirt “Bernie (Sanders) against the machine”). Rönne und Krömer sind bekannte TV-Nasen. Selbsterfahrungsbücher von ihnen verkaufen sich fast von alleine. Von den beiden, letztendlich betroffene Opfer der Krankheit, eine qualifizierte gesellschaftspolitische Einordnung zu verlangen, ist inhaltlich aus Leser*innen*sicht berechtigt. Gegenüber diesen Autor*inn*en aber lebensfremd weit hergeholt. Besser wäre, der kritische Rezensent schreibt das selbst (= keine Ironie!)-

Schreiben tut gut, kann unter glücklichen Umständen sogar Depressionen vorbeugen. Lesen Sie nur mal Jürgen Roth/Junge Welt über und mit Jörg Dahlmann. Die scheinen für sich einen solchen Ausweg gefunden zu haben. Mutmasslich. Dass sie dabei gegen einige schreibende Frauen auskeilen, sieht nicht gut aus. Um es mit den Worten von Thanner gegenüber Schimmi zu formulieren: sie stolpern über ihren eigenen Schwanz. Kein schöner Anblick, aber auch nicht verboten.

Das sieht wirklich schlimm aus

Zeyi Yang/Technology Review/heise ist schon wieder publizistisch auffällig: China will alle Kommentare auf Social Media vorab prüfen – Pekings Zensurmaschine schaltet einen Gang hoch: Neue geplante Regeln sollen die Netzplattformen noch genauer kontrollieren – und sie müssen dafür zahlen.”

Mangels Sprach- und Landeskenntnissen bin ich gezwungen, seine Darstellung für bare Münze zu nehmen. Wenn es so ist, wie er schreibt, macht die politische Führung den Staat damit zum Depressionsgrund Nr. 1. Ein Zeichen von Schwäche, nicht von Stärke – nicht nur, um es positiv zu wenden. Viele Herrschende finden das ja auch hierzulande vorbildlich. Wenn sie gegeneinander in den Krieg um die Weltmacht ziehen, werden sie sich weiter einander angleichen.

Für mich (65) mache ich mir da keine Sorgen mehr. Jüngere sollte es besser nervös und widerständig machen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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