mit Update nachmittags
Es wird wieder über “innere Pressefreiheit” diskutiert, wie schön. Allerdings diskutieren öffentlich vorwiegend Redaktionen aus Zeitungsverlagen die innere Pressefreiheit in öffentlichen Medien. So wie hier Michael Maier/Berliner Zeitung. Dabei versteigt er sich im Schlussabsatz zu einem recht absurden Vergleich. Wie konnte es bei ihm so weit kommen? Es liegt wohl daran, dass er als Person ein merkwürdiger Hybrid aus Verleger, Herausgeber, Chefredakteur und Redakteur ist. Bei seiner Berufsbiografie war es lange nicht leicht, den Überblick zu behalten.
“Später war er Chefredakteur … bei der Zeitschrift Stern (1999), die er jedoch bereits nach wenigen Monaten wieder verließ.” Er traf sich mit dem Bertelsmann-Konzern vor dem Arbeitsgericht, wo ein Vergleich geschlossen wurde. Üblich ist, dass der Entlassene seine Anwälte dort nachträglich einen goldenen Handschlag aushandeln lässt. Vielleicht sieht Maier das als Nachweis seiner persönlichen Souveränität. Innere Pressefreiheit würde ich mir allerdings anders vorstellen.
Tatsache ist, dass es in Deutschland kaum ökonomische Systeme gibt, die oligarchischer strukturiert sind als das (Zeitungs-)Grossverlagswesen. Auch das wird gerade Maier bezeugen müssen, dessen Verleger*in, das Milliardärs-Ehepaar Friedrich von den anderen Zeitungsmilliardärsfamilien nicht mit dem Arsch angeguckt wird. Mann hasst sich. Mir egal. Die Macht ist ähnlich verteilt, nämlich nicht demokratisch.
Dass jetzt öffentlich viel über öffentliche Medien berichtet und diskutiert wird, ist gut. Was wäre eine öffentlichere Angelegenheit als das? Das Zentrum der Aufregung verlagert sich Schritt für Schritt von Berlin (RBB) nach Kiel und Hamburg (NDR). Auch der SWR gerät in den Blick. Merkwürdig ruhig bleibt es um den WDR, der sich als Kriegsgewinnler versucht, obwohl … war da nicht auch was? Welche Verwaltungsdirektorin hatte da den Hut auf?
Dass die Verlagsmedien dabei ihr Mütchen kühlen, die öffentliche Konkurrenz möglichst sturmreif schiessen bis hin zum plattmachen wollen, ist unübersehbar. Rudelführer Springerkonzern, hintendrein die Kreuzzügler vom FAZ-Feuilleton, das sind die üblichen Verdächtigen. Durchsichtiger geht es nicht. Nun die Zugbrücken hochzuziehen wäre genau der Fehler, zu dem die Milliardär*inn*e*n die Intendant*inn*en zu verführen versuchen.
Die RBB-Belegschaft macht es richtig, im eigenen Haus zu recherchieren. Der NDR hat es falsch gemacht, seine einst leistungsstarke Zapp-Redaktion finanziell zusammenzustauchen.
Alle Senderführungen sind schief gewickelt, wenn sie bei Ministerpräsident*inn*en und Fraktionsvorsitzenden zu schleimen versuchen, und ihre eigenen Leute dann wie Nichtsnutze behandeln. Gut beraten wären sie, wenn sie ihre Journalist*inn*en anfeuern und stärken, ihren Prekären berufliche Sicherheit und Schutz anbieten, Angegriffene und Mutige mit breitem Rücken verteidigen, statt sie in den Regen zu stellen – und alle zusammen sich auf diese Weise mit ihrem Publikum verbünden gegen die, die nicht kritisiert und öffentlich kontrolliert werden wollen. Das sind nicht nur Politiker*innen, das sind alle Mächtigen, Konzernherren und -damen, insbesondere solche, denen fette Medienkonglomerate gehören.
Entsprechend Marxscher Erkenntnisse werden die Chefinnen und Chefs anders geprägt. Sie erhalten organisatorisch und finanziell den Job einer Königin / eines Königs in einem kleinen (Berlin, Bremen, Saarbrücken) oder grossen (Hamburg, Köln) Medienreich. Ihr Sein befördert sie in eine andere Sphäre, als ihr vormaliges Bewusstsein – ausgenommen allenfalls die, die schon als Regierungssprecher durch die Drehtür in ihr Intendantenbüro kamen. Sie wollen dazugehören, respektiert und gleichbehandelt werden von “denen da oben”. Alles spricht dafür, diesen Mechanismus zu durchbrechen.
D.h. kollektive statt monarchische Führung, 4- oder mehr -Augenprinzip. Verkleinerung und Professionalisierung der Kontrollgremien mit klaren Compliance-Standards, die gegen Interessenkonflikte vorbeugen (keine Regierungs-, Staats-, Landes- oder Stadtverwaltungskräfte inkl. ihrer Parlamente).
Ja, und meinetwegen dürfen die Zeitungsverlage das alles genauso machen.
Update nachmittags: nach Meinung einer Branchenmehrheit bildet die “Zeit” so eine Art Qualitätsspitze des deutschen Konzernjournalismus (Holtzbrinck-Konzern) – schon allein, weil sie fast die Letzte ist, die noch steigende Verkaufszahlen vorweisen kann. Thomas Knüwer ist einer, der Holtzbrinck von innen kennt. Und nun lesen Sie mal.
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