Ich mag Kreuzfahrten. Auch wenn sie klimapolitisch böse sind. Und das meine ich nicht ironisch. Die gesamte Schifffahrt auf der Welt ist ein politischer Skandal – ökologisch und sozial schlimmster unregulierter Kapitalismus. Bei mir ist es aus finanziellen Gründen schlicht so, dass ich mehr von Kreuzfahrten träume, als ich sie mache. Zumal ich die schiffgewordenen Shopping-Malls hasse wie die Pest, kleinere Schiffe, die noch wie Schiffe aussehen, bevorzugen würde. Aber die sind noch teurer. So blieb es bei einer Hurtigruten-Fahrt im Jahr 2012, auf Kosten meines 80 werdenden Vaters. War eine schöne Sache, empfehle ich seitdem weiter.

Wie komm ich drauf? Da ist jetzt so ein Kreuzfahrtfilm im Kino, der genau meiner Beschreibung entspricht. Und in dem Katastrophe an Katastrophe gereiht wird: “Triangle of Sadness”. Der Schwede Claes Olle Ruben Östlund hat es sich zum Markenzeichen gemacht, das was Bürgerliche im Kapitalismus schön finden, zu dekonstruieren, je brutaler, umso prächtiger. Der kleine Jan hat sich vorgestern erst ähnlich versucht: an Wein. Davon fiel es mir leicht mich abzugrenzen. Ich kaufe keinen Wein für 3,64 €.

Ich werde auch der unwiderstehlichen Werbung für den Östlund-Film nicht folgen. Die Filmkritiken der geschätzten Herren Seesslen/Jungle World (hochgeschätzt) und Suchsland/telepolis (mittelgeschätzt; wenn er sich an politischen Gegenständen versucht, neigt er zu besserwisserischer Wirrköpfigkeit) haben mich bereits hinreichend unterhalten.

Stattdessen rate ich Ihnen zu “Aşk, Mark ve Ölüm – Liebe, D-Mark und Tod”. Den habe ich in Köln-Eigelstein gesehen; in Bonn hatte ihn rätselhafterweise kein Kino im Programm. Grossartige Musik-Dokumentation von Cem Kaya. Diese Musik ist an mir als Zeitgenosse vorübergegangen. Im Radio wurde sie nicht gespielt. Erst 1998 gründete der WDR unter der Intendanz von Fritz Pleitgen mit “Funkhaus Europa” eine Welle, mit der solche Musik dem breiten biodeutschen Publikum überhaupt zugänglich gemacht wurde. So passierte es, dass “Aşk, Mark ve Ölüm” zu einem Markstein unserer Republikgeschichte werden konnte. Und musste.

Gehen Sie rein, wenn Sie Freude und Spass haben und dabei klüger werden wollen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net