Und: ein Mateschitz weniger

Der geschätzte Kollege Oliver Jungen/FAZ berichtet vom “Filmfestival Cologne”. Es war 1991 unter dem Namen “Cologne Conference” gegründet worden. Damals war es im mittlerweile ausgestorbenen – meistens übermässig aufgeblasen inszenierten – “NRW-Medienforum” als kleines Schräubchen integriert, hat sich dann aber geschickt selbstständig gemacht, und blieb so vor dem Aussterben einer NRW-Medienpolitik geschützt.

Heute ist es kein aufgeblasener Kongress, sondern eine kleine, aber feine Fachmesse, bei der TV und Streamingprojekte der Zukunft präsentiert werden. Die selbstbezügliche Branche schätzt es, wenn sie fachlich unter sich sein und frei und ungezwungen miteinander schwätzen kann. Wenn es kreativen Produktionen und einer Verbesserung gebotener Programme dient, wie der regelmässige – und in diesem Fall geschmackssichere – Besucher von der FAZ nahelegt, dann möge es so sein. Es gibt ja nicht mehr viel, was derzeit Hoffnung macht.

Keine voreilige Schadenfreude

Ich kenne nicht wenige Fussballfans, die sich über das Ableben des österreichischen Staatsbürgers Dietrich Mateschitz ähnlich freuen, wie über eine Niederlage des Fussballkozerns aus dem süddeutschen Raum. Das ist jedoch voreilig.

Der Herr hat bekanntlich das ungeniessbare Brausegetränk nur benutzt, um vom Kern seiner ökonomischen und politischen Aktivitäten abzulenken. Im Kern ist Red Bull ein Medien- und Sportentertainment-Konzern. Mateschitz und seinen Erben gehört daran weniger als die Hälfte (49%). Die Mehrheit halten diverse Mitglieder des thailändischen Yoovidhya-Clans. Bezeichnend für die deutschsprachige Öffentlichkeit und den dazugehörigen Journalismus, dass deren Wikipedia-Eintrag weit sparsamer ausfällt, als der über den angeblichen “Brausekonzern”. Letzterer gibt immerhin Auskunft über die Vielfalt der Machtfäden, die von dort gesponnen werden.

Informativ ist ein sachdienlicher Hinweis des Ostasienkorrespondenten der FAZ Christoph Hein, den der Verlag wohlweislich digital eingemauert hat. Demzufolge ist die Familie Yoovidhya die zweitreichste Thailands, und damit strafrechtlich faktisch immun, zu deutsch: gesetzlos. Einer ihrer missratenen Sprösslinge wird seit September 2020 von Interpol “gesucht”, wurde aber trotz seiner Angebereien in asozialen Netzwerken angeblich bisher nicht “gefunden”.

Diese Arschlöcher-Individuen sind jedoch nicht der Kern des Problems, weil sie alle ersetzbar sind. Ein Mangel an mit Faschismus sympathisierenden Milliardär*inn*en wird solange nicht entstehen, solange es Kapitalismus und Faschismus gibt. Das Problem ist das System. Sollte “Red Bull” als Imperium zerfallen, wofür nicht wenig spricht, dann kommen andere. Rupert Murdoch wird auch jeden Moment tot umfallen. Allein dadurch wird die Welt nicht besser. Auch die des Fussballs nicht.

It’s the economy, stupid!

Die gute Nachricht

Anfang des Jahres gab es diese gute Nachricht aus der deutschen Medienwelt. Und das wird immer besser. Es bestehen realistische Chancen, dass das “Lügenblatt” (zit. Dietrich Kittner 1935-2013) noch in diesem Jahr unter 900.000 fällt. Hochgerechnet wäre unsere Öffentlichkeit also in 10 Jahren davon befreit. Aber selbst dann wird es im Hauptstadtghetto noch Idiot*inn*en geben, die es für “Volkes Stimme” halten, und ihm Interviews geben wollen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net