Zwei bemerkenswerte Neuerscheinungen über die Spannweite des Berliner Politikbetriebs gibt es. Um Aufstieg geht es und um Niederlagen – und um Akteure zweier Alterskohorten. Die beiden Werke gleichen Verwandten einer Familie: ihre Ausdrucksformen, Anpassungen von Alten und Jungen, Anknüpfungspunkte, Verbindungslinien, Generationenkonflikte.
„Der Unbeugsame – Friedrich Merz, die Union und der Kampf um die Macht“ lautet der eine Titel, geschrieben von Jutta Falke-Ischinger und Daniel Goffart, erschienen im Langen Müller Verlag. „Die Neuen – Eine Generation will an die Macht“, heißt der andere Titel, verfasst von Livia Gerster, veröffentlicht bei C.H.Beck. Als Merz 1989 im Europaparlament sein erstes Abgeordnetenmandat gewann, wurden die Neuen, die jetzt erstmals in den Bundestag kamen, geboren. Seine Entsprechung findet das in den Autoren. Falke-Ischinger und Goffart waren schon in Bonn tätig, als Gerster auf die Welt kam. Journalisten sind sie alle, weshalb die beiden Bücher Einblicke auch in neue Formen des politischen Journalismus geben. Auf hergebrachte Weise wird der Lebensweg von Merz beschrieben – als Konzentrat von Recherchen. Gerster lässt den Leser erzählerisch an ihren Gesprächen teilhaben. Sie nimmt ihn mit – quasi.
„Merz & Merkel“ heißt das zentrale Kapitel über den „Unbeugsamen“. Alles, was aus Friedrich Merz wurde und wie er wurde, habe sich am 22. September 2002 entschieden, jenem Tag der Bundestagswahl, an dessen Abend Angela Merkel, CDU-Vorsitzende, und Edmund Stoiber, Kanzlerkandidat der Unionsparteien, ihm eröffneten, er werde nicht länger Chef der CDU/CSU-Fraktion bleiben. Merkel solle es werden. Weil es am Wahlabend eine Zeit lang so aussah, als stelle die Union die größte Fraktion, boten sie ihm das Amt des Bundestagspräsidenten an. „Merz war wütend, lehnte das Angebot sofort ab.“ „Völlig indiskutabel!“, habe er empört ausgerufen. „Da braucht ihr mit mir keine Minute länger zu reden. Das ist verlorene Zeit“, wird Merz zitiert. Zwei Jahrzehnte dauerte es, bis er wieder obenauf war. Merkel, Kramp-Karrenbauer und Laschet an der CDU-Spitze hatte er zu überdauern. Nun, da sind sich Falke-Ischinger und Goffart im Rahmen des Möglichen sicher, will er mehr. „Unbeugsam“ deswegen, was aber Anpassungen und Zugeständnisse nicht ausschließt – siehe sein Eintreten für eine Frauenquote in der CDU, die er einst vehement abgelehnt hatte. Seinen Weg empathisch und kritisch nachgezeichnet zu haben, ist der Kern dieser Neuerscheinung.
Die andere bietet das Kaleidoskop einer ganzen Generation. Gleichermaßen mit „Babyboomern“ und ihren Altersgenossen hat Gerster gesprochen, neugierig und nachsichtig. Eine Fundgrube wurde daraus – voller Berliner Aktualitäten und Reflexionen über gesellschaftliche Entwicklungen der Bundesrepublik. Dass mit den jungen Leuten neue Lebenswelten in den Bundestag einzogen, wird beschrieben, und wie diese mit den bitteren Kompromissen fertig werden, die seit Putins Krieg erforderlich wurden. Erkennbar wird auch: So mancher der neuen Akteure wird das Schicksal der Alten erleiden. Sieger von heute können Verlierer von morgen sein.
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