mit Update 28.11. spätabends

Seine Selbstreferentialität treibt den Journalismus schnell an seine Grenzen

Die “heute-show” ist selbst Teil des Systems und enthält sich in der Regel der Systemkritik. Sie dreht einfach nur, was alle machen, noch ein Stück weiter. In besseren Momenten (hier ab Minute 31; ich war Freitag schon eingeschlafen, habs aber gestern beim Zappen auf Phönix gesehen) schafft sie Kenntlichkeit. Und wer sein Thema da hineingeschafft hat, kann nicht alles falsch gemacht haben. So erklärt auch René Martens/MDR-Altpapier regelmässig Medienfehler in der Klimaberichterstattung und holt einige kritische Stimmen aus ihren Paywalls hervor.

In die Paywallgrube ist nun auch Sibylle Bergs Spiegel-Kolumne gefallen. Ob sie da rein wollte, hat sie keine*r gefragt. Sie war mein letzter Grund, dort reinzuschauen. Dann tschö … Wenn Sie mehr über Diagnose und Therapie der Krankheit Paywall lernen wollen, lesen Sie bei Thomas Knüwer.

  • Update 28.11. spätabends
    Warum der Spiegel Frau Berg eingemauert hat, versteht besser, wer die Chance hat, ihren Text zu lesen. Auszug: “Die kleinen Biester ziehen es vor, sich, statt in den Dutzenden Qualitätsmedien hinter Bezahlschranken, ihre Informationen von Gleichaltrigen auf Plattformen zu holen. Die Medien reagierten angemessen mit Entlassungen, dem Zusammenstreichen der Kulturteile und noch mehr Bezahlschranken. Well done. … Ist denn euer Leben wirklich so großartig, dass ihr es vor der Jugend verteidigen müsst?” Klar, darauf musste der Spiegel wie ein kritisiertes, trotziges Kind reagieren. There is no alternative.

Mehr als ein zynisches Lächeln provoziert sowas bei mir nicht mehr. Ich ärgere mich mehr über Fehler derer, die ich unterstütze und – in meinem Falle freiwillig – durch meine Haushaltsabgabe finanziere. Als Leser*in wissen Sie, dass bei mir meistens der Deutschlandfunk läuft. Gestern hat er mich sehr geärgert – zweimal an einem Tag.

Den ersten Fall habe ich bei Heiner Jüttner in einer redaktionellen Ergänzung unter seinem Text bereits angemerkt. Die von mir sehr geschätzten Autoren Markus Metz und Georg Seesslen sind eigentlich alt genug sich erinnern zu können. Aber gut: nicht jede*r, die*der damals bei Sinnen war, hat sich ernsthaft für die Interna der FDP interessiert. Aber ich. Am 1. April (!) 1973 war ich eingetreten. Und 1982 beim Koalitionswechsel ausgetreten, mit mir mehrere tausend Mitglieder. Das war organisiertes Handeln, von den Jungdemokraten, mehr als einem Dutzend Bundestagsabgeordneten und zahllosen Mandatsträger*inne*n in Bundesländern und Kommunen. Wir sind ausgetreten, nicht rausgeschmissen worden.

Was macht so ein*e DLF-Redakteur*in so den ganzen Tag? Themen überlegen. Autor*inn*en akquirieren, Spesen abrechnen, eingegangene Manuskripte sichten – sogar lesen und prüfen? Letzteres wäre eine gute Idee. Mit einem umfangreichen Archiv des Senders im Rücken lassen sich auch alte Geschichten überprüfen. In Zeiten der Digitalisierung sogar in wenigen Minuten. Aber diese Zeit scheint an dieser Stelle gefehlt zu haben. Oder ist es Fachkräftemangel? Wie Steffen Grimberg/taz kürzlich treffend meinte: “Mit der Auflösung eines Fachressorts fehlt irgendwann auch die Expertise. Dann ist keineR mehr Expert*in und ständig am Ball.”

Ähnliches Phänomen beim DLF-Sport. Mehrere, die sich, als sie noch jung waren, dort ausprobieren durften, haben im Sender Moderator*inn*en- und Redakteurskarriere gemacht. Ist es also eine “Ausbildungsredaktion”, in der Fehler nicht so schlimm sind, weil kein Parteivorsitzender beim Intendanten anrufen wird?

Wie komm ich drauf? Gestern schrieb ich meinem alten politischen Freund Christoph Strässer, auch nicht mehr ganz jung, eine besorgte E-Mail. Christoph ist heute Präsident des SC Preussen Münster, Tabellenführer der Regionalliga West (4. Liga). Die Eroberung dieses Amtes ist ein später symbolischer Sieg über den (verstorbenen) Antisemiten Jürgen Möllemann.

Christophs Team hatte am Samstag in Wattenscheid (die zu besseren Zeiten auch mal den Fussballkonzern aus dem süddeutschen Raum in der Bundesliga geschlagen haben; der Vater von Leroy Sane hat bei denen gespielt) zur Halbzeit 4:1 geführt. In der 92. Minute (= Nachspielzeit) fiel der 4:4-Ausgleich für Wattenscheid. Und in der 96. das 5:4 für Münster. In solchen Fällen hatten schon fittere Menschen als Christoph einen Herzinfarkt erlitten.

Er dankte aus Berlin, war nicht im Stadion. Wir stimmten überein, dass solche Ereignisse aufregender als die WM sind. Währenddessen erspähte ich auf der DLF-Hompegae diese spektakuläre Story über Christophs Verein. “Oops” meinte ich, und was es damit denn auf sich habe. Nur eine halbe Stunde später – und diese Korrespondenz ereignete sich während der Live-Übertragung des deutschen WM-Spiels gegen Spanien – erfuhr ich, dass es sich um zwei Anteile (= 0,4% des Gesamtkapitals) von zwei Personen aus dem Vereinsumfeld handele, deren persönlicher “Waffenhandels”-Hintergrund dem Verein nicht bekannt war. Deren Anteile werden jetzt von Vereinsmitgliedern übernommen.“Wir werden im Januar ein Leitbild verabschieden mit einer klaren Werteorientierung.” Während DLF-Autor Thorsten Poppe, ein “freier” Autor mit einem beeindruckenden Themenportfolio, schreibt “Eine Interviewanfrage dazu lehnt Preußen Münster ab.”, war Christoph bis gestern Abend, eine Stunde nach Sendung des Beitrages, eine DLF-Interviewanfrage nicht bekannt.

Hat Autor Poppe also nur nicht die richtigen Telefonnummern und Email-Adressen gehabt? Hätte er das – wichtige und richtige Thema – nicht beim Sender unterbringen können, wenn jemand ihm aus Münster die Luft aus der Schlagzeile gelassen hätte? Hat auch hier wieder die Zeit für redaktionelle Qualitätsprüfung gefehlt?

Das ist offensichtlich. Ich nenne diese Beispiele, weil ich mit ihnen inhaltlich sympathisiere. Fehler von Freund*inn*en ärgern mich mehr, als wenn Arschlöcher zu dumm sind. Und die Sender bezahle ich dafür, dass sie Korrekturlesen. Mindestens.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net