Sachzwanggequatsche zu diesem Thema ist pure Ideologie. Alles zu diesem Thema steht für politische Meinungsbildung und Entscheidung offen. Es ist eine Frage der Klassen- und Herrschaftsverhältnisse. Und wird immer umkämpft sein. Die deutschen Herrschenden und ihre verdummten Fusstruppen wollen schon seit 1990, dass nicht “zu viele” in unser Land kommen dürfen. Vor allem keine Andersartigen (Kultur, Religion, Hautfarbe etc.). So ist es nicht nur hier gekommen, sondern in der ganzen EU durchgesetzt worden – mit fabelhaften Aufträgen für Überwachungs-, Polizei- und Grenzbefestigungs-Techologien. Die Menschenrechte des Grundgesetzes interessierten dabei nicht. Es wird sich auch ökonomisch rächen, und die EU im globalen Wettbewerb der Ökonomien zurückwerfen. Weit, sehr weit. “Nix is so schlääsch, dattetnich für irjndwatt joot es.”

Jetzt – oh schreck, wie konnte das passieren? – gehen die geburtenstarken Jahrgänge (mit dem Gipfeljahrgang 1964) in Rente, und es kommen immer weniger Junge hinterher. Wer hätte das denn voraussehen können?

Ergebnis: nicht nur die Alten- und Gesundheitspflege, alle beschissen bezahlten Dienstleistungsbranchen geraten in eine veritable Krise, wie es sie noch nie gegeben hat. Die Jungen, die nachkommen, sind nämlich auch nicht doof genug, sich für viel harte Arbeit scheisse bezahlen zu lassen. Trotz massiv steigender Nachfrage gibt es immer weniger Bekloppte, die sich massiv durch Ausbeutung ausnehmen lassen. Sie können jetzt nämlich wählen, was sie tun wollen, und was nicht.

Paradigmatisches Beispiel das Handwerkerwesen: immer weniger haben Lust, sich in vorgestrigen betriebs- und Führungskulturen von in Menschenführung unausgebildeten Meistern trietzen zu lassen. Die Wartezeiten auf Handwerker*innen werden also ähnlich lang, wie bei Psychotherapeut*inn*en. Die, die tatsächlich Handwerker*in werden, ersaufen in Arbeit, Aufträgen und Stress; als Trost werden sie reich.

Bis die alten und solventen Kund*inn*en freundlich und dankbar werden, wird wohl noch das eine oder andere Jahrzehnt ins Land ziehen. Mann nennt es Kulturwandel. Sowas kommt in Deutschland immer 10-20 Jahre später. Bei der Einwanderungspolitik sind es eher 30-50 Jahre. Oder 100? Es gibt keinen Mangel an Menschen, die lernen, arbeiten und gut leben wollen. Alle wollen das. Aber solange wir sie nicht hier haben wollen, werden wir eben scheisse gepflegt werden, wenn wir es brauchen.
Vom Putzen (Krankenhauskeime sind eine massenhafte Todesursache) ganz zu schweigen.

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Wie kommichdrauf? Ach ja, die Rente. Die Finanzierung ist kein Problem für ein reiches Land. Es muss nur entschieden werden, wo der Reichtum hin soll.

Gerd Bosbach/taz schreibt, was für eine Schnapsidee für die Vesicherungslobby die FDP in der Ampelkoalition durchgesetzt hat: Kapitalgedeckte Pleite – Die Aktienrente soll es nun richten – ein gefährlicher Irrweg: An der Börse geht es nicht um Werte, sondern um Zukunftserwartungen und Spekulation.”

Und Kein Sachzwang, das Rentenalter anzuheben – Die Diskussion um das Renteneintrittsalter blende manches aus, sagt Florian Blank von der Hans-Böckler-Stiftung. Er fordert, mehr über die Gestaltung von Arbeit zu sprechen.”

Matthias W. Birkwald, gewöhnlich zu diesem Thema Extradienst-Gastautor, und der beste politische Rentenexperte, den ich kenne, war gestern im Radio: “Kontrovers Die Rente – OK oder KO?” (Audio 70 min). In den ersten 25 Minuten, die sie also vorspulen können, trägt er diese Fakten aus seiner Presseerklärung vor. Er kennt nicht nur die Fakten, er kann auch gut Sprechen, was im Radio von grossem Vorteil ist, weil er das in seiner Jugend in der berühmten WDR-Sprechschule nach professionellen Massstäben gelernt hat.

Mann kann das lernen. Wie fast alles. Wille vorausgesetzt. Solchen Willen (herbei) zu schaffen, das wäre Politik.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net