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Abstieg?

Welche Relevanz wird der Fussball noch haben?

Deutschland hat bei der Qatar-WM eine negative Sonderrolle gespielt. Unter dem Druck der hierzulande besonders kritischen Fanszene (#boycottqatar2022), hat sich der Deutsche Fussballbund (DFB) sportlich und politisch nach Strich und Faden blamiert. Während Frankreichs Präsident Macron im Finale publikumswirksam mitfiebern durfte – mutmasslich von Qatar so inszeniert, weil es in Frankreich volle Narren- und Investorenfreiheit geniesst, und mutmasslich die politische Klasse im Portemonnaie verstaut hat – musste sich Bundeskanzler Scholz von der Blamage fernhalten, und opferte die Genossin Faeser. Bei der letztjährigen Frauen-EM, die weit erfolgreicher lief – deutsche Finalbeteiligung, allerhöchste TV-Quote des Jahres – zeigte er sicheres Schlagzeilengespür (“gleiche Bezahlung”) zum Missfallen der Bosse des Business. Was wird das neue Jahr bringen?

Borussia Mönchengladbach

Mir das wichtigste Thema. Wir werden nicht Meister. Wir kommen nicht in die Champions League. Wir müssen leistungsfähige aber unwillige teure Spieler ziehen lassen, und mal wieder von vorne anfangen. Ob der Manager und der Trainer das schaffen, ist offen.

DFL

Ob die Deutsche Fussball-Liga den Glockenschlag der WM verstanden hat, ist ebenfalls offen. Vernünftigerweise gibt sie ihren Spielern eine etwas längere Winterpause als in England, Spanien, Frankreich, wo längst wieder täglich Profifussball fürs TV produziert wird. Die DFL wird neidisch sein. Sie steht unter Druck der Fans, die sich nicht als marketingfähige Kulisse benutzen lassen, sondern mitreden und Druck ausüben. Das ist nirgends in Europa so gut politisch organisiert, und stört die Kommerzialisierer des Profisports sehr.

Nun kommt zu allem Unheil noch dazu, dass der TV-Sender Sky als bisheriges Dickschiff aus dem Wettbieten um die TV-Rechte rauszufallen droht. Seine Eigentümer, der Comcast-Konzern, wollen ihn loswerden. Aber wer will ihn haben? Das ökonomische Problem ist, dass die TV-Rechte politisch aufgeblasen teuer waren, und betriebswirtschaftlich nicht refinanzierbar sind. Dem Ex-Besitzer und langjährigen Trump-Förderer Murdoch ging es um Politik, und er war reich genug, sich das leisten zu können. Wer Profit mit Fussball im TV machen will, muss ganz anders rechnen. Fragen Sie mal bei Bertelsmann (RTL) oder SAT1. Obwohl: bei Letzteren versucht es Berlusconi jetzt. Da ist sie wieder, die Politik.

Für die DFL sieht das sehr unkomfortabel aus. Der Druck jener, die die Vereine den Investor*inn*en aus aller Welt darbringen wollen, wird zunehmen. Und damit auch die Konflikte – innerhalb der DFL, und mit den Fans.

Werden die Frauen es rausreissen?

In einem lesenswerten Interview mit Hanna Raif/FR – mit einer völlig bekloppten Überschrift – führt der Würzburger Professor Fan- und Fussballforscher Harald Lange aus, dass vom Männerfussball des DFB keine Besserung zu erwarten ist. Ob die Jungs 2024 eine Heim-EM hinbekommen, die auch nur annähernd an den Erfolg des gekauften “Sommermärchens” 2006 herankommt, bezweifelt er. Ich auch.

Bleiben die Frauen, die im europäischen Hochsommer (Juli/August) im australischen und neuseeländischen Winter um den WM-Titel mitspielen. In Neuseeland ist zur deutschen Mittagszeit der Tag zuende (12 Stunden Zeitverschiebung); in Australien entspricht eine abendliche Anstosszeit von 20/21 h einer europäischen TV-Zeit noch vor dem Mittagessen. Nachmittägliche Gruppenspiele gibt es also zum Frühstück. Mir fehlt die Fantasie, dass selbst bei einem Erringen des Weltmeisterinnen-Titels – nicht vergessen: die andern können auch Fussball spielen – unser panzerlieferndes Land von einer Euphoriewelle erfasst wird.

Abstieg

Damit wird besiegelt, dass 2023 für den Fussball in Deutschland ein Abstiegsjahr wird. Während das frei flottierende Super-Duper-Grosskapital in den Fussball investieren wird – wg. des grossen Erfolgs des sportgewaschenen Qatar – US-Milliardäre, Russen (inkl. der im israelischen Exil), Ukrainer, Chinesen, alle arabischen Feudalfürsten, bricht sich im Inland eine antizyklische Krise bahn. Dumm gelaufen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Heiner Jüttner

    Warum fehlt bei Borussia M-G die positive Nachricht: Wir steigen nicht ab.

    • Martin Böttger

      Yes, das ist die eigentliche Sensation. Seit 1965 nur zweimal abgestiegen, und direkt wiedergekommen. Hans Meyer, Rainer Bonhof und Lucien Favre kommen garantiert in den Himmel und werden dort Hennes Weisweiler wiedertreffen. Max Eberl dagegen wollte nicht mit, ist schon im Fegefeuer. It’s the economy, stupid!

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