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Olaf schmiedet Pakt für Vertrauen

Ja, es hat ein paar Tage länger gedauert, aber Olaf Scholz hat eine Koalition von Lieferanten von Kampfpanzern geschmiedet, die von den USA über Großbritannien und Frankreich von Deutschland getragen wird und die Staaten des Baltikums ebenso umfasst, wie Finnland – der geballte Kern der NATO, den es – aus welchen Gründen auch immer – am vergangenen Freitag in Ramstein noch nicht gab. Diese Koalition liefert etwa 90 Leopard 2 Panzer, darüber hinaus eine erste Tranche von 34 US-Abrams, dazu britische Challenger  und französische Leclerc-, alles Kampfpanzer ähnlicher Kampfkraft und Bauart. Mit der konzertierten und koordinierten Aktion macht die NATO klar, dass sie gemeinsam handelt und das ist ein essentieller Sicherheitsaspekt.

Etwa 90 Leoparden – das sind etwa sechs bis sieben Bataillone – sollen die Ukraine schnell verstärken, wenn sie ausgebildet sind und die Panzer geliefert bekommen, dazu Ersatzteile, Munition und umfangreiches Gerät. Vermutlich werden auch Transportfahrzeuge für eine schnelle Verlegung der Panzer dazu gehören. Wenn all dies geliefert und die Versorgungslogistik wie geplant innerhalb von zwei Monaten aufgebaut werden soll, ist das ein anspruchsvolles Ziel. Dies erklärt auch, dass die Bundesregierung letztlich dem Leopard 2 den Vorzug gegeben hat, obwohl die Abgabe die eigene Verteidigungskraft schwächt. Vom Leo 1 stehen zwar weltweit mehrere hundert Exemplare zur Verfügung oder wären käuflich, sie müssen aber erst aufbereitet und kampfbereit gemacht werden, was ein halbes bis zu einem Jahr dauern kann. Dass Kanzler und SPD heute weitgehend kein Lob, sondern wieder nörglerische Kritik von der CDU und einzelnen FDP-Exponentinnen bekam, ist nicht verwunderlich.

Scholz hat eine Koalition geschmiedet, die sich sehen lassen kann

Natürlich ist eine solche Lieferung angesichts der Rüstungsreserven Russlands (etwa 20.000 Panzer) noch nicht der Game-Changer, als den ihn manche Enthusiasten oder selbsternannte Expert*inn*en machen möchten. Ob nun “die Ukraine siegen wird”, wie CDU-Falke Kiesewetter bereits gestern abend erklärte, steht doch noch in weiter Ferne. Wer die durchaus nennenswerte Kampfkraftverstärkung für die Ukraine richtig einschätzt, muss zum Schluss kommen, dass diese Lieferung die Verteidiger ertüchtigen kann, sich gegen die erwartete Frühjahrsoffensive wirksam zur Wehr zu setzen und die einen oder anderen Geländegewinne möglich machen könnte. Aber darüber hinaus enthält das 1,2 Mrd. schwere Paket vor allem technische und humanitäre Hilfen für die Ukraine, was im Getöse der Panzerdiskussion völlig untergegangen ist.

Ziele der Waffenlieferungen kommuniziert

Scholz Erfolg wäre noch deutlicher geworden, hätte er die gemeinsam vereinbarten Ziele der Waffenlieferungen noch deutlicher herausgearbeitet. Die Rücksicht auf seine Koalitionspartner hielt ihn wohl davon ab. Denn diese Waffenlieferungen taugen, die Verteidigung der Ukraine zu ertüchtigen, auch Geländegewinne zu erzielen. Sie zielen bewusst nicht darauf ab, Russland oder Teile der Krim zu erobern. Insofern laufen propagandistische Angriffe Putins, aber auch der AfD ins Leere. Mit guten Gründen hat Olaf Scholz klar gemacht, dass es darum geht, dass Putin nicht gewinnt. Dass er mit seiner Absicht, entgegen den zivilisatorischen Errungenschaften der Entspannungspolitik und des KSZE-Prozessen nicht damit durchkommt, dass Grenzen in Europa noch einmal mit Gewalt verändert werden. Was Annalena Baerbock wirklich meint, wenn sie “die Ukraine muss siegen” sagt, sollte sie überdenken und erklären. Viele kritisch denkende Grüne werden es ihr danken.

Kommunikation der Ampel katastrophal

Dass der Verhandlungserfolg, mit dem Scholz nicht nur die USA und Joe Biden zum teil gegen erste aufkommende Widerstände ins Boot holen konnte und zum letztlich Nutzen eines selbstbewussten Europa am Ende die transatlantischen Partner ins Boot bekam, ist ein ganz persönlicher diplomatischer Erfolg. Denn bis dahin drohte der 2022 entstandene Eindruck des Ramstein-Formats, dass hier die USA ihre Bündnispartnern ihre Strategie mitteilen. Diesmal gelang es Scholz, auf Augenhöhe mit Biden zu verhandeln, auch wenn das manchen konservativen Atlantikern gegen den Strich gehen mag. Dass ihm das nicht leicht fiel, hat viel mit internen Illoyalitäten der Ampel zu tun. Denn wer die Verlierer*innen der Koalitionsverhandlungen, Agnes Strack-Zimmermann (FDP) – wurde nicht Verteidigungsministerin, Toni Hofreiter (Grüne), an dessen Stelle gottseidank Cem Özdemir Agrarminister wurde und Michael Roth (SPD), der seinen Staatssekretärsposten verlor, fallen seit Kriegsbeginn auf unglaublich penetrante Weise ihrer eigenen Regierung in den Rücken und werden dafür mit Talkshowauftritten quotengeiler Ahnungsloser (Maischberger, Will, Illner, Plasberg, Lanz) belohnt, die am liebsten selbst Politik machen möchten. Darüber muss sich die Koalition bei aller Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen verständigen.

Riesenstaatsmann Merz steht nackt da

Merz machte es sich heute im Bundestag zu leicht, indem er behauptete, Das hätte die Bundesrepublik Deutschland schon im April beschließen müssen. Es zeugt von der Regierungsunfähigkeit der CDU/CSU, dass sie im Vertrauen auf das schlechte Gedächtnis der Menschen jetzt behauptet, sie hätten das alles früher beschlossen und haben sich als verantwortungslose Anhänger von Alleingängen geoutet. Es ist nämlich nicht so, dass der Entschluss, der Ukraine nun Leopard 2 Kampfpanzer zu schicken, im Alleingang getroffen werden könnte. Und als Merz anmahnte, dass bisher kaum Geld der Sonderschulden von 100 Mrd. € ausgegeben sei, kam bei Beobachter*innen mit Gedächtnis die Verantwortung der CDU Verteidigungsminister*innen für lächerliche 268 einsatzfähige Leoparden, 143 Eurofighter, von denen nur 50% flugtauglich sind, völlig funktionsunfähige Pumas hoch. Ganz zu schweigen von defekten Hubschraubern, Kostenexplosion beim Transportflugzeug A 400 M den über 100 Millionen für das Segelspielzeug Gorch Fock oder die Unterwäschemisere der Truppe, verbunden mit zu Guttenberg, Uschi von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer.

Krieg unter den Augen der Öffentlichkeit

Längst haben uns Satelliten ermöglicht, Objekte von 1 € Stückgröße vom Weltraum aus zu erkennen. Wie aktuell diese Bilder sind, darüber entscheidet die Zugriffsberechtigung des Geheimdienstes, der Polizei oder Armee der Regierung, für die diese Daten wichtig sind. Gleichzeitig finden Kriege unter den Augen der Medien statt und die Medien sind (instrumentalisierter) Teil der Kriegführung. Die Auftritte sowohl Wladimir Putins vor seinen Jubelkulissen als auch Wolodomir Selenskijs vor Parlamenten und Gremien weltweit sind eine neue Form der Kriegskommunikation.

Polnische Populisten instrumentalisieren den Ukrainekrieg

Aber dafür haben sich Olaf Scholz, Joe Biden oder Emmanuel Macron auch mit  Attacken von Bündnispartnern auseinenderzusetzen, die zu Hause Wahlkampf führen und  populistisch instrumentalisieren. Wie Polen, das nicht davor zurückschreckt, zu Hause Pressefreiheit einzuschränken und die Unabhängigkeit der Gerichte außer Kraft zu setzen, und den EU- und NATO-Partner Deutschland zu bashen, wo immer es möglich und den Spitzen der PiS-Partei opportun erscheint. Rechtspopulisten kennen da kein Pardon.

Wladimir Putin hat es da scheinbar leichter – er kann sich darüber amüsieren, was im Westen gerade abgeht. Allerdings fehlt ihm auch ein ehrliches Feedback darüber, ob sein Stuhl wackelt oder nicht. Der hinter dem großen Tisch …

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

4 Kommentare

  1. Helmut Lorscheid-Hauschild

    Diese Waffensysteme brauchen Ersatzteile und Wartung. Da müssen Fachleute auch ins Land und das sind sicherlich keine Ukrainer… Frage: Ab wann ist dieser Krieg ein Krieg der NATO-Staaten

    • w.nissing

      In dem Moment, wo Russland das so sagt. Was diese Witzfiguren, Postkartenverweigerer et.al. so von sich geben, wird vermutlich in Moskau wahrgenommen, aber wohl kaum auf der Handlungsebene eingeflochten. Um das Geschehen aus einem erweiterten Kontext zu verstehen empfehle ich u.a. diese beiden Videos. Das zweite ist von vor 8 (acht) Jahren bei France Inter. Wenn bedarf besteht könnte ich mich mal an eine Transkription machen aber das ist sehr zeitaufwendig…..
      https://www.youtube.com/watch?v=sNQbR_mM63g
      https://www.youtube.com/watch?v=qHbPtRWRH2c
      einen schönen Tag

  2. Martin Herr Ottensmann

    Wie sollten auch die Verteidigungsfähigkeit der NATO-Länder nicht aus den Augen verlieren.
    Den größten Überschuss an Panzern sehe ich in Griechenland, hier könnte ein Kauf der Panzer auch den Staatshaushalt weiter sanieren.
    Da komme ich zu dem Punkt: Wer zahlt das eigentlich alles?
    Müssen wir wir uns in den nächsten Jahren wegen der von uns finanzierten Waffenlieferung auf einen sozialen Kahlschlag einstellen?

  3. Susanne Willems

    Lieber Roland, Dein Artikel “Deutsche Waffen gegen Rußland?” am 13. April 2022 las und liest sich noch, als wäre aus Deiner geschilderten Erfahrung im Gespräch mit Irina damals, während der Weltjugendfestspiele in Moskau 1985, Gewissheit erwachsen, also eine unumstößliche Überzeugung. Wo ist die hin? Herzlichen Gruß, Susanne.

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