Best of 25. Januar 2023: Jacinda Ardern und ein “bonn institute”
Kennen Sie Jacinda Ardern? Kennen ist mutmasslich zuviel gesagt. Sie haben, ähnlich wie ich, ein Bild von ihr im Kopf. Dieses Bild ist – bei mir zumindest – eher freundlich als negativ. Das ist, glauben Sies mir, Ergebnis einer sehr professionellen PR-Arbeit – nicht ironisch gemeint, sondern sachlich. Ob Mrs. Ardern ein netter Mensch ist, wissen die, die mit ihr zusammen arbeiten und zusammen leben. Ich kann Ihnen versichern: der Unterschied zwischen beidem kann sehr gross sein. Der extrem seltene Höhepunkt von Mrs. Arderns PR-Strategie ist, dass sie sich zum Aufhören als Regierungschefin nicht treiben liess, sondern die Regie über diesen Prozess selbst führt. Einen Fall wie ihren gab es in diesem alten Standardwerk von Pascal Beucker und Frank Überall jedenfalls nicht.
Mrs. Ardern macht mit 42 das, was mir erst mit 59 vergönnt war: raus aus der fremdbestimmten Hamsterrad. In Unkenntnis ihrer Person spekuliere ich: wenn sie so funktioniert, wie die meisten, wird sie noch einige Jahre – weit besser dotiert – Unternehmen beraten, oder selbst Unternehmerin – oder beides. Ihr Name (und ihr gutes Aussehen) sind eine Marke, die danach schreit, teuer verkauft zu werden. It’s the economy, stupid.
Wenn Sie nun ihr persönliches Bild von Mrs. Ardern mit politischer Substanz füllen wollen, machen Sies wie ich, und lesen Sie Branco Marcetic/Jacobin: “Jacinda Arderns Amtszeit offenbart die Folgen liberaler Tatenlosigkeit – Empathie und Mitgefühl waren die Werte, die Neuseelands Ex-Premierministerin Jacinda Ardern als Grundpfeiler ihrer Karriere bezeichnete. In der Politik ihrer Regierung hat sich das nicht niedergeschlagen.”
Nach diesem Teaser-Text befürchtete ich zunächst eine verbitterte ins linksradikale driftende Abrechnung. Nach dem Lesen meine ich dagegen: eine faire Bilanz. Die erste Hälfte des Textes geht um die nicht wenigen Dinge, die nach Meinung des Autors im Regierungsgeschäft von Mrs. Ardern fortschrittlich und gut waren.
Politik und PR
Was Marcetic nicht ausgerollt hat, ist die weltweit beeindruckende PR-Strategie hinter und um diese Person. Wer Politik ohne PR-Strategie zu machen versucht, kann sie auch gleich sein lassen. Blöd nur, wenn die meisten darin Tätigen Berufliches und Privates nicht mehr auseinander halten können. Das findet z.B. David Goeßmann/telepolis: “Nähe zur Macht: Wenn Spitzenjournalisten Regierungssprecher werden – ARD-Korrespondent Stempfle wird Sprecher des Verteidigungsministeriums. Das ist nur die Spitze des Eisbergs. PR-Abteilungen im Regierungsapparat werden von ehemaligen Journalisten geleitet. Was trennt Politik und Medien noch?”
Ich gebe zu, ich kannte nicht wenige Paare aus Politik und Journalismus, beide angenehme, freundliche Personen, die beide auch in ihrem Beruf einen guten Job machten. Ich habe sogar persönlich Personen zum Durchgang durch die von Goeßmann kritisierte “Drehtür” überzeugt. Ich selbst habe immer nur nebenberuflich als Journalist gearbeitet, meinen Lebensunterhalt (und meine Rente!) aber fast ausschliesslich mit politischer Organisationsarbeit und PR verdient. Solange “the economy” nicht politisch überwunden wird, wird sich an diesen Prozessen grundsätzlich nichts ändern. Die beteiligten Personen werden weiter selbst abwägen, ob sie sich damit Nutzen oder Schaden zufügen, und wie das jeweils in Euro-Gehälter umzurechnen ist. So ähnlich, wie es Profifussballer machen, die ja schliesslich “Vorbilder” der männlichen Jugend sind.
Bonn Institute für Journalismus und konstruktiven Dialog
Ogottogott, welche Agentur hat sich für teures Geld wohl diesen merkwürdigen Namen ausgedacht? “Institute” schreibt und spricht sich englisch, dabei trieft das Deutsche bei diesem Namen aus jeder Pore. Und schreckt Leute wie mich eher ab, wie aufgeblasene Ballons, die zügig zu platzen drohen.
Heute fand ich ein Indiz dafür, dass das ein ungerechtes Urteil sein könnte. Zuverlässige Quellen ganz oben in dieser Stadt bestätigten mir das. Ich fand diese Studie “Zwischen Wunsch und Wirklichkeit – Konstruktiver Journalismus in Kriegszeiten“, und halte sie in dem ganzen derzeit verbreiteten Unrat für eine seltene Perle – schon allein, weil ich mich als Medienkonsument gut getroffen fühle.
Die Selbstdarstellung wirkt auf mich sprachlich allzu blasiert – das wird, vermute ich, jetzt von den KI-Programmen für Homepagegestaltung weitgehend automatisch so ähnlich ausgespuckt. Da würde ich mehr menschliche, identifizierbare und aneckende Originalität bevorzugen. Aber ich gebe zu: it’s the economy, stupid! Besser ehrlich, als verschämt. Entscheidend ist, was unten rauskommt. (Helmut Kohl)
Auch nicht schlecht
Bernhard Gill/telepolis: “Drei Jahre Pandemie im Spiegel der Übersterblichkeitsstatistik – Wie schneidet Deutschland im Vergleich zu den anderen OECD-Ländern ab? Was ist aus Schwedens ‘Sonderweg’ geworden? Eine Zwischenbilanz.”
Florian Rötzer/overton: “Versinkt die Ukraine im Korruptionsstrudel? – Präsident Selenskij feuert viele, auch hohe Regierungsmitarbeiter. Was als Korruptionsbekämpfung erscheint, könnte auch ein Kampf um die Macht sein”
Mediathek-Tipp
Noch ‘ne Wiederholung. Aber haben Sie es etwa schon gesehen? “Da is’ ja nix” – in Österbrarup. Verantwortet von der gleichen Produktion und NDR-Redaktion (Valentin Holch, Diana Schulte-Kellinghaus), die das epochemachende “Neues aus Büttenwarder” verantwortet haben. Wirklich geben tut es Süderbrarup. Da halten sogar Züge. Wenn nicht, wie z.Z fast überall in NRW, und vor allem zwischen Köln und Bonn, Baustelle ist. Und Sie wissen schon, wer 2017-21 NRW-Verkehrsminister war? Aber ich schweife ab …
Ich habe mir die Homepage des Bonn Institute für Journalismus und konstruktiven Dialog mal näher angeschaut. Ich entdecke nichts, worauf Journalisten, die die Grundregeln ihres Berufs halbwegs kennen und ernst nehmen – nicht selbst drauf kommen würden. Das Geld kommt von der NRW-Landesregierung, Die Gesellschafter sind Gesellschafter finde ich bis auf die Dänen, die ich nicht kenne, eher gruselig:
RTL Deutschland, Rheinische Post Verlagsgesellschaft, Deutsche Welle und das Constructive Institute aus Dänemark.
Ich habe den Eindruck, das Ding braucht niemand.
Nicht so streng, lieber Helmut. Die Homepage, nach der Du urteilst, halte ich ja selbst für “optimierbar”. Aber wenn sich junge Leute guten Willens ausprobieren, ist das gut und nicht schlecht. Du weisst so gut, sogar besser als ich, wie selten guter Journalismus geworden ist.
https://www.journalist.de/startseite/detail/article/mehr-recherche-im-rundfunk-jetzt
In der Rubrik „Best of“ vom 25. Januar 2023 sind in der Tat wieder einige „Perlen“ versammelt, die zum Besten gehören, was an diesem Tag im deutschsprachigen Journalismus geboten wurde. Ich picke mal den Beitrag der „Telepolis“-Ausgabe über die vielen Journalisten heraus (Journalistinnen fanden sich in diesem Zusammenhang kaum), die nach Ablauf ihrer Tätigkeit als Redakteur, Korrespondent o.ä. in Regierungsdienste eingetreten sind. Bemerkenswert vor allem ein Detail im Werdegang des langjährigen taz-Mitarbeiters Ulrich Schulte (Parlamentsredaktion, Innenpolitik): 2010 erhielt er das renommierte Arthur F. Burns-Stipendium und arbeitete zwei Monate lang bei der „Chicago Tribune“.
Wenn eine fromme Stiftung einem begabten, fleißigen jungen Menschen ein Stipendium gibt, dann natürlich im Bewusstsein ihrer eigenen Interessen und Zielsetzungen (Nachwuchsförderung, Kaderpolitik). Das ist normal, das machen alle Institutionen und Organisationen. In welche Richtung also sollte U. Schulte durch Gewährung eines solchen Stipendiums ge- bzw. befördert werden?
Ohne einer Verschwörungstheorie Vorschub leisten zu wollen, fände ich es interessant, den Werdegang der derzeitigen Grünen-Spitze noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Annalena Baerbock beispielsweise ging für einige Zeit zum Studium nach London, kehrte ohne förmlichen Abschluss nach Deutschland zurück und behauptete fortan, sie „komme vom Völkerrecht“. Was ist da mit ihr in London passiert?
Bei einer Bewerbung um eine Stelle, egal wo, war es bislang erforderlich, auch einen „Lebenslauf“ einzureichen. Eine genauere Untersuchung des Werdegangs der Grünen-Führung könnte Aufschluss darüber geben, warum aus der einst friedensbewegten Partei eine bellizistische Lobby geworden ist.