Vor einigen Tagen stieß mich ein alter Freund und ehemaliger Korrespondent des “Kölner Stadtanzeiger”, der nun in der Eifel wohnt, mit der Nase auf den erneut vor der Tür stehenden Verkauf des Flughafen Hahn/Rheinland Pfalz. Inzwischen berichtete zwar sogar die “Tagesschau”. Aber die wichtigste Tatsache, dass es sich bei Hahn um ein seit 30 Jahren unrentables Subventionsgrab handelt, das als Flughafen nach menschlichem Ermessen keine ökonomische Zukunft hat, fand überhaupt keine Erwähnung. Immerhin wurde nun einer breiteren Öffentlich bekannt, dass ein Oligarch namens Wiktor Wladimirowitsch Charitonin (geschätztes Vermögen 800 Mio. €) und seine Firma NR Holding zu den beiden letzten Bietern des insolventen und zum Verkauf stehenden Flughafens Hahn /Rhld.-Pfalz gehören.
Charitonin ist kein unbeschriebenes Blatt: Er erwarb sein Vermögen gemeinsam mit den bekannten Oligarchen Abramowitsch (14,5 Mrd $) und Jewgeni Markowitsch Schwidler (1,3 Mrd. $) durch Spekulationen in der russischen Ölindustrie und mit dem Erwerb von US-Pharmafirmen. Seit 2014 ist der Oligarch, der auf der Liste der 2018 von den USA erfassten 210 Putin-Freunden steht, über seine NR Holding zu zwei Dritteln Eigentümer des insolventen Nürburgrings. Die allgemeine Frage dieser Personalie ist doch, wie es sein kann, dass trotz Embargo ein (früher?) Putin-naher Genosse überhaupt in die engere Wahl um den Kauf kommen kann. Robert Habeck muss das nun prüfen.
So fällt Hahn unter die weidlich im vergangenen Jahr geführte Diskussion über den Verkauf kritischer Infrastruktur – wir erinnern uns an die harschen Forderungen an den Kanzler, die Beteiligung Chinas an einem Terminal des Hamburger Hafens zu verhindern. Dass der Bieterwettbewerb überhaupt für einen solchen Oligarchen offen war, muss schon verwundern. Warum wurden nicht das Bundeswirtschaftsministerium und das Amt für Aussenwirtschaft und Ausfuhrkontrolle früher mit der Causa Hahn befasst? Was hat eigentlich das hessische Wirtschaftsministerium und sein Chef Tarek Al Wazir – das Land ist mit 17% am Flughafen beteiligt – in der Sache unternommen?
Politischer Sprengstoff beim potenziellem Käufer
Die Brisanz des Falls ergibt sich nicht nur aufgrund der wechselvollen wirtschaftlichen Entwicklung am Nürburgring. Der wurde 2012, auf 120 Millionen € Wert taxiert, aber für nur 77 Mio. € mit Zustimmung des zu 17% beteiligten Landes Rheinland-Pfalz an eine Investorengemeinschaft um den Zubehörhersteller Capricorn verkauft. Capricorns Partner zogen sich zwei Jahre später zurück und der holte dann Charitonin als Mehrheitseigner mit ins Boot. Die Bedeutung der Sache wird nun durch die Geschichte des Flughafens Hahn und seine Funktion als Teil der aktuellen strategischen Infrastruktur gesteigert. Hahn entstand 1951 als französischer, ab 1952 amerikanischer Militärflughafen, auf dem bis 1991 drei Staffeln F 16 – Kampfflugzeuge stationiert waren. Zwei Jahre später wurde Hahn an das Land Rheinland-Pfalz übergeben und manövriert seitdem permanent wirtschaftlich am Rande der Insolvenz.
Die Erwartungen zu keinem Zeitpunkt erfüllt
Hahn reiht sich damit in eine ganze Reihe Regionalflughäfen zweifelhafter Wirtschaftlichkeit ein, von Baden-Airport über Dortmund-Paderborn, Weeze bis Leipzig, die nach 1990 mit Millionensubventionen für die Mobilitätsbedürfnisse der Superreichen oder solchen, die sich dafür halten, geschaffen wurden und in einem Luftverkehrskonzept, das dem Klimawandel Rechnung trägt, schlichtweg keine Berechtigung mehr haben. Schon gar nicht, wenn sie, wie absehbar, weiterhin in Zukunft immer wieder aus öffentlichen Mitteln in Millionenhöhe des jeweiligen Landes gerettet und subventioniert werden müssen. Dagegen ist der aktuell geschätzte Verkaufspreis von Hahn mit 20 Mio. € ein Klacks. Seit Jahren fordern BUND und NABU, auf Hahn als Flughafen zu verzichten.
Außer Billigflieger nix gewesen
Außer dem Billigflieger Ryanair, der seine Tätigkeit 2020 eingestellt hat und einigen kleineren Charterfliegern, sowie einem Intermezzo der TUI, hat Hahn seit mehreren Jahren ein sinkendes Passagieraufkommen. Flogen zu seinen besten Zeiten 2007/2008 jährlich etwa 4 Mio. Passagiere ab Hahn, waren es 2018 gerade mal 2 Mio., corona-bedingt 2021 nur noch rund 600.000. Die Zahl der Flugbewegungen sank von 40.000 im Jahr 2008 auf 10.177 (2020) und 12.544 (2021). Die sinkenden Passagierzahlen konnten auch durch Frachtflieger nicht aufgefangen werden. Von den ehemals bei seiner Gründung angekündigten 10.000 Arbeitsplätzen hat es mal zu besten Zeiten 2008 um die 3.000 gegeben – derzeit sind es 450. Im Oktober 2021 wurde das Insolvenzverfahren über den Flughafen eröffnet und die Staatsanwaltschaft ermittelt seitdem gegen die Verantwortlichen wegen Konkursverschleppung und Subventionsbetrug zulasten des Landes im Umfang von rund 400.000 Euro. Ein 2022 aufgetretener Investor konnte den Kaufpreis nicht bezahlen – ein dauerhaftes Desaster.
Nicht der erste Verkaufsskandal
Der Flughafen Hahn hat dem Land Rheinland Pfalz seit seiner Übernahme nur Pleiten und Skandale eingebracht. 2016 sollte der Flughafen an einen angeblichen chinesischen Investor, die Shanghai Yiqian Trading Company verkauft werden. Der Verkauf geriet zur kleinkunstwürdigen Posse. Diese Firma und ihre Strohmänner, für deren angebliche Bonitätsprüfung die Beratungsfirma KPMG über 6 Mio. Euro vom Land kassierte, erwies sich erst nach den Recherchen eines ARD-Korrespondenten in China vor Ort als Briefkastenadresse, deren angebliche Unternehmen gar nicht existierten. Innenminister Roger Lewentz zog damals in letzter Minute die Notbremse und bewahrte die Landesregierung und Ministerpräsidentin Malu Dreyer vor weiterem Schaden. Die Strafanzeige gegen den chinesischen Investor wegen Urkundenfälschung verlief 2018 im Sande.
Politik hat kein Konzept
Da es offensichtlich in 30 Jahren niemandem gelungen ist, den Flughafen wirtschaftlich zu betreiben und angesichts der Tatsachen des Klimawandels, der steigenden Kraftstoffpreise und der Lage des Flughafens abseits der Metropolen hätte es längst eines ökologischen und ökonomisch nachhaltigen Konzepts bedurft, den Flughafen als Konversionsprojekt neu aufzustellen. Schon die Start- und Landebahn und die zugehörige Infrastruktur fordern den Bau z.B. eines ökologischen Technologie- und Entwicklungszentrums mit Wind- und Solarenergie, Wasserstofftechnik und Speichertechnologie für Energie geradezu heraus. Mit der Hochschule der Polizei befindet sich am Flughafen bereits ein stabiles “ziviles” Projekt des Landes. Hinzu kommt die ländliche Umgebung und Infrastruktur, die Anreize zu ökologischem Bauen, Ökolandwirtschaft und der Entwicklung neuer sozialer Wohn- und Lebensformen weit günstiger bietet, als die Metropolen. So lagen im Frühjahr 2023 etwa in Lautzenhausen nahe Hahn die Grundstückspreise zwischen 78 und 166 €/qm. Grund genug für das Land, für Gründer, mittelständische Unternehmen und junge Familien Anreize zu bieten, hier eine Region mit nachhaltiger Zukunft ohne CO2-Killer und Fluglärm zu schaffen.
Oligarchenpläne unbekannt
Was Wiktor Wladimirowitsch Charitonin hier vorhat, ist nicht bekannt. Schlimmstenfalls für seinen Freund Putin einen Flughafen im NATO-Gebiet nahe Ramstein zu erwerben, um ein bisschen mit Drohnen zu spionieren. Im harmlosesten Fall eine Start- und Landerampe, von der aus seine Oligarchenfreunde – er ist stolzer Besitzer von 80 Oldtimern, darunter einer vom Typ Mercedes-Benz 500K (1935-39) – bequemer den Oldtimer-Grand-Prix auf dem nahen Nürburgring erreichen könnten. Beides braucht Rheinland Pfalz so dringend, wie der Fisch ein Fahrrad.
Die Politik muss jetzt handeln
Es wäre an der Zeit, dass sich die drei Wirtschaftsminister Robert Habeck, Tarek Al Wazir (Grüne, Hessen) und Daniela Schmitt (FDP, Rheinland-Pfalz) zusammensetzen. am besten geheim, damit es nicht wieder in Wahlkampf ausARTEt. So könnte beispielsweise eine von den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz anteilig finanzierte Entwicklungsgesellschaft den Flughafen für die besagten 20 Mio.€ erwerben und die ökologisch-nachhaltige Konversion weg vom Flughafen anschieben und so das jahrzehntelange Millionengrab für Flug-Subventionen im Interesse aller Beteiligten nachhaltig beenden. Denn die nächste Pleite des Objekts als Flughafen steht schon aufgrund der Rahmenbedingungen “im Buche Allahs verzeichnet”.
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