Um „Wer mit wem?“ geht’s nach Wahlen und damit – wie derzeit im Bundesland Berlin – auch um die Frage, wer das eigentlich entscheidet und wer dabei mitwirkt: Parteichefs, Vorstände oder die Parteimitglieder? Gibt es gar vorab beschlossene Koalitionsaussagen, mit denen Wahlkämpfe geführt wurden – und werden diese eingehalten? Sollen Regierungsbündnisse fortgesetzt werden? Aufgeschrieben oder in Parteisatzungen festgelegt ist das alles nicht. Es ist wie so oft in der Politik: Es kommt drauf an. Doch eine Erfahrung wird immer wieder gemacht: Die engere Parteiführung setzt sich durch. Klugheit und Voraussicht, Kampfeswillen und Durchsetzungsvermögen gehören allerdings dazu. Manchmal auch Glück.
Die Dominanz der Parteispitze beruht auf zwei Gesetzmäßigkeiten der Politik. Erstens: Nach dem Zustandekommen einer Regierungskoalition ist es die Führung, die über die Vergabe von Posten bestimmt: Minister, Staatssekretäre, in der Folge dann auch Spitzenämter in der Fraktion. Störenfriede gehen dann leer aus, weshalb sich karrierebewusste Leute selbst dann fügen, wenn sie Bedenken haben. Zweitens: Alle Beteiligten wissen, dass sie ihre Partei in tiefe Krisen stürzen würden, wenn sie ihrer Führung nicht folgen – auch dann, wenn es zu einem Mitgliederentscheid über eine künftige Koalition kommt, einem Instrument, das Spitzenleute – nolens volens – bisweilen einsetzen, um bei den Verhandlungen mit den avisierten Partnern möglichst viele ihrer Vorhaben durchsetzen zu können. Ein Mitgliederentscheid wirkt wie eine Drohung, oft auch des kleineren Partners gegenüber dem größeren. Mehrfach hat die SPD unter Sigmar Gabriels Führung diese Taktik angewendet. Angela Merkel blieb Kanzlerin. Die SPD aber setzte ihre Pläne durch.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Als Christian Lindner 2017 die Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis platzen ließ, weil er fürchtete, in einer Koalition mit Union und Grünen unter die Räder zu kommen, sorgte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dafür, dass abermals eine Groko gebildet wurde. Angela Merkel und die SPD willigten ein.
Getreu dem „Opposition ist Mist“-Motto Franz Münteferings geht es bei Koalitionsbildungen um Macht, Einfluss und Posten. Konrad Adenauer koalierte deshalb 1949 lieber mit der kleineren FDP als mit der stärkeren SPD. Helmut Kohl umwarb wie kein CDU-Politiker sonst die FDP; selbst eine absolute Mehrheit war ihm zuwider, weil er nicht von den Ansprüchen der CSU abhängig sein wollte. Gerhard Schröder war einer Koalition mit den Unionsparteien nicht abhold, unterwarf sich aber dem rot-grünen Trend in der SPD – versehen mit dem markigen Spruch, es müsse aber klar sein, wer Koch und wer Kellner sei. Die FDP-Führungen blieben ihren Koalitionspartnern so lange treu, wie sie sich erstens Einfluss und zweitens Chancen auf Wiederwahl versprachen. Die Grünen verabschiedeten sich von ihrer Fixierung auf die SPD: Machtbewusstsein paARTE sich mit Risikofreude – auch weil es die Umstände, die Mehrheiten also, erforderten.
Ein besonderes Theater wird dieser Tage in Berlin aufgeführt. Die Sozialdemokratin Franziska Giffey könnte mit einem rot-grün-roten Bündnis Regierende Bürgermeisterin bleiben. Doch lieber will sie als Juniorpartnerin ein Bündnis mit der CDU eingehen. Groß ist der innerparteiliche Streit, und es ist ungewiss, wie im April der SPD-Mitgliederentscheid darüber ausgeht. Noch nie ist die Parteibasis ihrer Führung bei einer solchen Abstimmung in den Arm gefallen. Bisher.
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