Der Profifussball der Herren in der Überproduktionskrise

Die Nachricht ist weit bedeutender als die Frage, wann Marco Reus wieder Tore schiesst. Das Kartell der deutschen Profifussballvereine, die Deutsche Fussball-Liga (DFL), hat ihren ersten Postcorona-Wirtschaftsreport vorgelegt. Benjamin Fischer, Westerwäldler wie unsere Oberbürgermeisterin, hat ihn gelesen, und in der FAZ eine der wenigen Presseveröffentlichungen dazu geliefert. Ergebnis: es ist nicht geworden, wie es früher einmal war.

Früher war Wachstum. Immer. Seit 1963. Planungssicherheit für Investor*inn*en und Medien. Letztere waren und sind die Hauptfinanziers. Sie haben selbst eine Überproduktionskrise. Zuletzt hatten die Streamingdienste mitgeboten, und versprachen für die Fussballoligarchen stetigen Fluss von Milch und Honig. Doch sie merken jetzt selbst, dass sie mit dem Investieren (überall) überzogen haben. Das alte Pay-TV, mit dem die zweifelhaften Figuren Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi reich und mächtig wurden – der Eine bestimmte Regierungschefs in USA, UK und Australien, der Andere musste es selbst machen, Leo Kirch in Deutschland versuchte es auch, und ging mit seinem Klienten Helmut Kohl zusammen unter – hat seine Zukunft hinter sich. Murdoch verscherbelte Sky an Comcast. Und die haben alles mal durchgerechnet und sich erschrocken: Fussball verkaufen rentiert sich ja gar nicht. Murdoch zahlte politische Preise. Das ist Comcast zu teuer. Sie wollen Sky wieder loswerden – und keine*r will es haben.

Undurchsichtig solvent bleibt der Mitbewerber Dazn. Über dessen Oligarchen Леонид Валентинович Блаватник, laut Wikibedia “US-amerikanisch-britischer Oligarch ukrainisch-jüdischer Herkunft”, vier Monate nach mir in  Odessa, Ukrainische SSR, Sowjetunion geboren, und zwei Jahre später als ich aus seiner Heimat ausgewandert. Über diesen Mann finden einfach keine Medienrecherchen, keine Berichte und Reportagen statt. Er zahlt aber offensichtlich seine Rechnungen an die Mafiaorganisatioen Fifa, Uefa, DFL und DFB pünktlich. Denn Beschwerden werden keine laut. Und wenn Sky nicht mehr wettbewerbsfähig ist, kann er vielleicht sogar anfangen, mit seinem Invest auch Geld zu verdienen – die Abopreise wurden im Vorjahr verdoppelt und verdreifacht. Oder gehts ihm darum gar nicht (so wenig, wie zuvor Murdoch und Berlusconi)?

Als global mögliche Konkurrent*inn*en für diesen edlen “Philantropen” bleiben dann noch Staatsfonds aus Saudi-Arabien, Qatar und China. Fifa und IOC sind dafür bekannt, dass mann sich gegenseitig mit offenen Armen und abgreifbereiten Händen begegnet. Wollten die aber z.B. jetzt in die DFL einsteigen, deren westfälische Führung derzeit einen 15%-Anteil international feilbietet, sind Fan-Aufstände in den Stadien und TV-Boykotte in den Wohnzimmern und Kneipen so sicher, wie bei der Qatar-WM.

Wachstum bieten die Damen

Die deutsche Männeroligarchie wurde im abgelaufenen TV-Jahr davon geschockt, dass die unterbezahlten Fussballfrauen mit ihrer EM höhere Zuschauerinnenzahlen erzielten, als die überbezahlten – und feigen – reichen Jungs in Qatar. Und nun passiert – Shit happens – der typische Fehler des Business: statt Zusammenarbeit für das gute Produkt, gierige Konkurrenz darum, wer die Zitrone am weitesten auspresst. In drei Monaten startet die nächste Frauen-WM. Und ausgerechnet Saudi-Arabien wurde von der Fifa als ein Hauptsponsor verkündet – die sind eben für nix zu fies. Wenn Sie verstehen wollen, was die treibt, und wie die funktionieren, erfahren Sie mehr von Leo Marchetti.

Die gastgebenden Länder Australien und Neuseeland sind nicht amüsiert. Für die ökonomische Verwertung weit schwieriger ist jedoch nicht die Moral, sondern die Erdrotation. Gegen die haben weder die Fifa noch Saudi-Arabien bisher ein Mittel gefunden. Das bedeutet, dass auf dem kaufkräftigsten Fussball-TV-Markt Europa die Anstosszeiten zum Frühstück und zum Mittagessen stattfinden. Und manche müssen ja sogar arbeiten …

Eine absolute TOP-Einschätzung zu dieser Zwickmühle liefert – mal wieder – Alina Schwermer/taz: Frauen-WM und TV-Rechte: Gegen die gut geölte Maschine – Noch immer hat kein deutscher Sender die Frauen-WM-Rechte gekauft. Das ist ein Problem – und trotzdem ist das Zögern richtig.”

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net