Best of 11. April 2023

Klassischer Fall. Deutsche Medien zeigen sich schockiert, dass “3,4 Millionen Deutsche” offline leben. Tsss, erstmal zeigt das nur: das geht, es ist nicht nur möglich, sondern wahr. Weil der Platz nicht reicht, oder deutsche Medien aus anderen Gründen ein Brett vorm Kopp tragen, wird die wichtigere Nachricht der Kürze halber unten abgeschnitten: “Laut Schätzungen der Internationalen Fernmeldeunion der Vereinten Nationen (ITU) waren 2022 rund 34 Prozent der Weltbevölkerung offline – das sind 2,7 Milliarden Menschen weltweit.” Das sind mehr Menschen, als die Bevölkerungen von China und Indien zusammen.

Der andere Hammer des Tages ist dieser Macron. Aber der Reihe nach. Der alte Seymour Hersh seziert so cool wie brutal, wie die globale Medienelite sich an der Nase herumführen lässt: «Es ist eine Parodie»: US-Reporter-Legende Seymour Hersh zerpflückt die Theorie des Westens, dass eine pro-ukrainische Gruppe die Nord-Stream-Pipelines sabotiert habe”. Eine Parodie? Ist das nicht gewöhnlich was zum Lachen? Ich kann nicht darüber lachen, wenn ich als Leser/Konsument für so doof gehalten werde. Da entstehen ganz andere, und wesentlich unschönere innere Gefühle.

Der französische Präsident kennt solche Gefühle. Denn er ist ihnen schon seit Wochen ausgesetzt, in seinem revolutionserfahrenen Land. Es ist ebenso eine Farce: die Wiederkehr der Konstellationen der 50er Jahre. Der gute Westen, der böse Osten und der scheinbar clevere Gaullismus dazwischen, der seine Macht aus seiner Cleverness – und seinen Atomwaffen – bezieht. Forian Rötzer/overton ist alt genug, die Farce zu verstehen: Macron: Europa als dritte Supermacht, nicht als Vasall der USA – Der innenpolitisch angeschlagene französische Präsident fordert ‘strategische Autonomie’ der EU, das gefällt Transatlantikern nicht.”

Die deutsche Ampelkoalition hatte sich das Motto “Mehr Fortschritt wagen” verordnet. Das darf angesichts dieser Farce als gescheitert betrachtet werden. Zu diesen Schwächlingen hat der Veteran Klaus Vater/bruchstuecke eine eigene Meinung: “Sozialpolitik: Die Ampelregierung steht auf opportunistisch”. Die Mächtigen der Welt wiederholen im Angesicht der Klimakrise die Beinahe-Atomkriege der 50er/60er-Jahre. Sind sie so ratlos? Wollen sie der Klimakatastrophe zuvorkommen?

Es gibt auch Fortschritt. Nach dem Sturz Bolsonaros in Brasilien gibt es ähnlich realistische Hoffnungen in der Türkei, über die Elke Dangeleit/telepolis berichtet: Ein-Mann-Regime auf der Kippe: Die Türkei im Vorfeld der Wahlen – Sind Erdogans Tage gezählt? Der konservative ‘Sechser-Tisch’ gilt als chancenreich, das linksökologische ‘Bündnis für Arbeit und Freiheit’ als möglicher Königsmacher.” Das sind Sorgen, die mann nicht haben möchte. In der Türkei sind die Alltag.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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