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Plötzlich alles anders

Der nackte Mann in Paris und das deutsche Desinteresse – Best of 17. April 2023

Petra Erler hat eben so schön die unschönen Ablenkungsmanöver beschrieben. Wie kommichdrauf? Die “Zeitenwende” – war die so ein Manöver? Unter Kaperung des Begriffes wird der Blick auf die Weltveränderungen kraftvoll abgewendet. Diesen Eindruck hinterlässt unsere Regierung auf mich. Und unsere Opposition mit dem Versuch, die Regierung darin zu übertreffen.

Ich fange mal oben mit dem Wichtigsten an. Eine Planetenbevölkerung, die überleben will, sollte die Gefahren kennen, die ihr drohen. Das ist an erster Stelle der menschengemachte Klimawandel. Die Zeit, diesen Fehler zu korrigieren, ist bekanntlich arg knapp. Das könnte überflüssig werden, wenn ihm ein Dritter Weltkrieg als Atomkrieg noch zuvorkommt. Dieses Risiko droht, wäre aber leichter beherrschbar, politischer Wille vorausgesetzt. Hier eine realistische Risikoanalyse von Michael T. Klare/TomDispatch/telepolis: Wie wahrscheinlich ist eine chinesische Invasion in Taiwan? – Die Spannungen zwischen Washington und Beijing nehmen zu. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die USA mit Diplomatie auf China zugehen, ohne einen verheerenden Krieg zu orchestrieren. Unmöglich?”

Und die EU, noch unter Führung von “Flinten”-Uschi? Sie wurde von der deutschen Regierung, bevor ihr jemand zuvorkommen konnte, kraftvoll enteiert. Solche fundamentalen Krisen der einstigen “Gemeinschaft” jucken die deutschen Regierenden nicht – das sind halt Kollateralschäden, die Klaus Bachmann (bei der Berliner Zeitung hinter Paywall, hier bei telepolis offen zugänglich) beschreibt: China: Während Baerbock die Moralkeule schwingt, spricht Macron die Wahrheit aus – Die Empörung über Macrons Aussagen in China ist typisch deutsch. Und arrogant. Jeder sollte wissen: In Asien endet Baerbocks wertegeleitete Außenpolitik.”

Diesen Streit innerhalb der deutschen herrschenden Klassen beschreibt auch Tomasz Konicz/Jungle World: Industrieführer und Politiker streiten über die künftige deutsche China-Politik: Richtung Rivalität – China bindet sich enger an Russland und belastet damit die deutsch-chinesischen Beziehungen. Auf das China-Geschäft will die deutsche Industrie aber auf keinen Fall verzichten.”

Was kommt dabei “unten raus” (zit. Helmut Kohl)? Die Panik des französischen Atomstaates, der sich Italien vergleichbar nach ganz weit rechts zu wenden droht (womit FDP und AfD ihren Zielen weit näherkommen als hierzulande): Bernhard Schmid/Jungle World: Die französische Regierung will den Ausbau der Atomkraft beschleunigen: Abhängig vom Atomstrom – Die französische Nationalversammlung hat ein Gesetz beschlossen, das den Neubau von Kernreaktoren erleichtert. Die Betreiber­gesellschaft EDF fordert, auch jahrzehntealte AKWs weiterlaufen zu lassen.”

Dass das auch eine strategische Sackgasse ist, dämmert den Herrschenden in Frankreich und ihrem Präsidenten längst. Die sind ja nicht blöd. Aber vielleicht sind sie tot, bevor “es” so richtig “heiss” wird: Annika Joeres/Blätter: »Wir können nur noch beten«: Frankreich nach der Winterdürre – Frankreich hat eine dramatische Winterdürre hinter sich. Doch Macron regiert an der Realität der Klimakrise vorbei.” Die Dürre (1,80 m Bodentiefe) in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist übrigens immer noch nicht weg. Im Rheinland haben wirs (noch) besser. Aber Spanien und Frankreich sind nah – ökonomisch schon da! Ob das Wasser von AKWs, Braunkohle oder Tesla verbraucht wird – weg ist weg.

Die Welt dreht sich weiter: Brasilien

Das hatten sich die Genossen Steinmeier und Scholz mit ihrem einstigen Klienten Luiz Inácio Lula da Silva wohl etwas anders vorgestellt. In Sachen China-Beziehungen und Friedensvermittlung zog er mit hoher Tempodifferenz an ihnen vorbei. Und nun auch noch das: Anton Landgraf/Jungle World: Die brasilianische Staatsanwaltschaft geht wegen Menschenrechtsverletzungen gegen Volkswagen vor: Unsoziale Nachhaltigkeit – Dem VW-Konzern werden schwere Menschenrechtsverletzungen in Brasilien vorgeworfen. Aktivisten fordern von ihm nun, seine Schuld anzuerkennen.” Von Lustreisen für Konzernvorstände (u.a. Herr Hartz) und Betriebsräte auf die Anklagebank – ist das nicht etwas zu hastig? Das war aber so nicht verabredet – oder wer war für die Portugiesisch-Übersetzung zuständig? Und wer für die Werteleitung?

Wenn Namibia dafür inspirierend war, bin ich mitschuld. Und stolz drauf.

Mediathekperle “Killing Eve”

Abonnent*inn*en können hier ihre Lektüre beenden. Ich habe Sie gestern schon im Newsletter darauf hingewiesen.

Haben Sie das schon gesehen? Killing Eve. Sie müssen nicht warten, bis den James-Bond-Leuten was zeitgemässes einfällt. Es ist schon da, produziert von BBC-America, Mastermind ist die Drehbuchautorin und executive producer Phoebe Waller-Bridge (auch: “Fleabag”). Ob sie unter ihrer Hochbegabung leidet? Ich weiss es nicht, vorstellen kann ich es mir. Jedenfalls ist sie nicht arm, bei den Tantiemeneinnahmen. Und “Überraschung”: laut Wikipedia wurde sie als Drehbuchautorin für den nächsten “Bond” verpflichtet. “Fleabag” ist aus der ARD-Mediathek raus, aber “Killing Eve” ist auch mit der ersten Staffel noch im Mai in der ZDF-Mediathek (nur zwischen 22 und 6 Uhr – oder Daten verschenken). Ich habe gestern die dritte Staffel gebingewatched – und es nicht bereut (Festplattenrecoder, also am helllichten Tag ohne Datenabtritt).

Fazit dieser erstklassigen Agentinnenserie (Männer mitgemeint): Geheimdienste sind wie Familien – sie ziehen eine Spur traumatisierender Verwüstungen hinter sich her, und zerstören sich selbst.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Tobler

    @martin.boettger Leider hat die Titelzeile in Telepolis ein krassen Rechtschreibfehler bekommen. Wie ist der da hingewandert? https://www.telepolis.de/features/China-Moralkeulke-von-Baerbock-Wahrheit-von-Macron-8965872.html

  2. Martin Böttger

    Da bin ich überfragt. Und unschuldig. Das müssen die Kolleg*inn*en von telepolis beantworten.

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