Markus Söder fordert bekanntlich die Übertragung der Zuständigkeit für den Bau und Betrieb von Atomkraftwerken vom Bund auf die Länder. Er begründet das damit, dass die Bundesregierung gegen seinen Willen den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und vollzogen hat.

Zugegebenermaßen ist dies ein cleverer Schachzug. Wenn jemand mit Entscheidungen Dritter nicht einverstanden ist, verlangt er die Übertragung der Zuständigkeit auf andere Gremien, am besten auf sich selbst. Dann kann er alles so machen, wie er es gerne hätte.

Diese Idee hat sich rasch verbreitet und in kurzer Zeit viele ähnlich begründete Anträge bewirkt:

Der Bauernverband möchte gern selbst die Grenzwerte für chemische Düngemittel festlegen.

Die Schülervertretungen wollen künftig über die Schulnoten entscheiden.

FDP und Porsche bestimmen gemeinsam, wie lange noch Verbrenner-Autos gebaut, verkauft und gefahren werden dürfen.

Der Unternehmerverband beschließt, ob die Mindestlöhne steigen, stagnieren oder sinken sollen.

Die Automobilclubs regeln, ob Autofahrer/innen auf der Straße, auf dem Radweg oder auf dem Bürgersteig parken dürfen.

Die katholische Kirche übernimmt die Zuständigkeit für Jugendschutz und Familienplanung.

Kraus-Maffei, Rheinmetall und Thyssen-Krupp beantragen die Verwaltung des 100-Milliarden-Euro-Bundeswehr-Sondervermögens.

Die Höhe der Erbschaftssteuer wird anhand der Vorgaben der Deutschen Vereinigung für Erbrecht festgesetzt.

Die Berechnung des Mietendeckels und der Kappungsgrenzen wird dem Verband der Wohnungswirtschaft übertragen.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.