Wem gehört der “Volkssport”?

“Volkssport” wurde in meiner Jugend der Fussball genannt. Weil jeder Junge ihn spielen wollte. Mädchen kamen erst später dazu (1975 deutsche Meisterschaft durch den Bonner SC). 2011 während der Heim-WM rannten sie den DFB-Vereinen die Türen ein. Die meisten wollten keine Mädchen. Das grösste Eigentor des deutschen Fussballs. Ein anderes droht jetzt, von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet, von der FAN-Öffentlichkeit dagegen engagiert bekämpft: Hedgefond-Einstieg bei der DFL. Letzte Überreste von “Volks”-Besitz sollen privat enteignet werden. Wie überall im real existierenden von ökomischem Wachstum abhängigen Kapitalismus.

Die BVB-Fans demonstrieren nun schon seit mehreren Heimspielen gegen die Verhunzung ihres Stadionnamens Westfalenstadion. Aus Dortmund wird berichtet: “Das Unternehmen hat laut Radio 91.2 zuletzt den Sicherheitsdienst am Gebäude verstärkt – dennoch gelang es nun, besagtes Transparent an der Firmenzentrale anzubringen.” Tolle Aktion. Hier bietet sich eine öffentlichkeitswirksame Nachahmung in Beuel an: Friedrich-Breuer-Str. 26-28, tolle Ladenfront in Beuels Hauptstrasse.

Klar, das ist “nur Symbolik”, aber eine, die zu vielen spricht. Nicht im vielgelesenen Sportteil, sondern nur im Wirtschaftsteil ist z.B. dieser Bericht von Nicolas Butylin/Berliner Zeitung versteckt: Verkauft die Bundesliga ihre Seele? Das sagt ein Sportökonom zum neuen Investor – Die Deutsche Fußball-Liga wird Anteile an einen ausländischen Investor verkaufen. Die Milliarden sollen den deutschen Fußball retten, aktive Fans begehren auf.” Immerhin kommen hier die Positionen der Fans überhaupt mal vor.

Hier werden sie von ihnen selbst präsentiert. Der dokumentierte Offene Brief macht erkennbar, dass die angeblich ach so “professionelle” DFL in ihrem Vorgehen und ihrer Gier nach Zusatzmilliarden – bevor es in der Postcorona-Ära dafür zu spät ist – faktisch alle strategischen handwerklichen Fehler auf einmal macht. Nichts ist vorbereitet und ausdiskutiert, alles muss schnell gehen. Ein Festessen für die Profis in den Heuschreckenfonds.

Das ist ein Management wie beim Fussballkonzern aus dem süddeutsche Raum, über dessen gestrige sportliche Niederlage das ganze Land jubelt – und seine embedded Medien rauf und runter lamentieren. Lärm und Nebel. Der Strippenzieher des DFL-Katatrophendeals sass im Westfalenstadion auf dem Tribünensessel für den Boss: ein CDU-Mittelstandspolitiker aus Marsberg, aus einer Region, der auch die Figuren Tönnies und Linnemann entlaufen sind, und vor der der Rheinländer Konrad Adenauer zurecht erschauderte.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net