Als Wolfgang Clement, damals SPD-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, in Erwägung zog, die rot-grüne Koalition in Düsseldorf wegen ständiger Querelen zu beenden und ein Bündnis mit der FDP einzugehen, grätschte die Spitze der SPD dazwischen. Die Grünen, ihr Koalitionspartner im Bund, dürften nicht vor den Kopf gestoßen werden. Rabiat setzten Gerhard Schröder und Franz Müntefering durch, dass es Clement bloß bei Gedankenspielereien beließ. Von entsprechenden Versuchen der Bundes-SPD aber, ihren Berliner Landesverband von einem Bündnis mit der CDU abzuhalten und auf Linie zu bringen, war in den vergangenen Wochen kaum etwas zu bemerken. Olaf Scholz und die – etwas murrende – Parteispitze ließen Franziska Giffey und ihre Freunde gewähren, die Zusammenarbeit mit dem bisherigen grünen Regierungspartner aufzukündigen und die Juniorrolle in einem CDU-geführten Senat zu übernehmen. Rücksicht auf die Grünen, weil auch sie Teil der Bundesregierung sind? Das war gestern. Nicht einmal der Umstand, dass die Koalition aus SPD, Grünen und FDP nun vier Stimmen im Bundesrat verlieren wird, veranlassten Scholz und die Seinen, die Berliner SPD zurückzupfeifen. Die Landes-Grünen wurden vorgeführt, die Bundes-Grünen vergrault und die Linkspartei als dritter Partner der bisherigen Giffey-Koalition sowieso.
Giffey hätte die Mehrheit im Abgeordnetenhaus gehabt, die rot-grün-rote Koalition fortzusetzen. Nun wird sie Stellvertreterin des neuen Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU), der in der SPD bis vor kurzem noch als ein Gottseibeiuns galt. Eine bundespolitische Premiere war das. Noch nie hat sich der Chef einer Landesregierung in neuer Konstellation mit der Leitung eines Fachressorts begnügt. Wenn aber sogar die Mitglieder der als links geltenden Berliner Landes-SPD ein schwarz-rotes Bündnis, wenn auch knapp, billigen, dann doch erst recht wohl auch die Mitglieder der Bundes-SPD nach der nächsten Bundestagswahl. Gegebenenfalls. Oder? Vom linken Flügel der SPD wäre, wie nun in Berlin, nur hinhaltender Widerstand zu erwarten. Lautstark, über drei Wahlgänge, aber letztlich folgenlos. Ohnehin sind auch SPD-Linke der Grünen überdrüssig. Rolf Mützenich etwa, Chef der Bundestagsfraktion, attackiert ein ums andere Mal die Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock. Was auch – am anderen Ende des sozialdemokratischen Spektrums – der Seeheimer Kreis tut. Von wegen Koalitionsdisziplin.
2019, bei der Urwahl einer neuen Parteiführung, zog die SPD-Linke mit Kevin Kühnert als Anführer noch unter dem Motto „Am Nikolaus ist GroKo-Aus“ in die Schlacht. Vergeblich. Nun ist Kühnert SPD-Generalsekretär. Dass ihm die „Personalie“ Kai Wegner „weh“ tue, gab der Berliner Kühnert erst zu Protokoll, als die Schlacht geschlagen war, was ihm unter SPD-Linken den Vorwurf des Opportunismus einträgt. Weil das Prinzip der Nichteinmischung gelte, wollte Kühnert nicht einmal sein eigenes Abstimmungsverhalten öffentlich machen. Zukunftsträchtig aber ist sein Hinweis, ein schwarz-rotes Bündnis sei ihm lieber als eine schwarz-grüne oder grün-schwarze Koalition.
Den Unionsparteien signalisiert der Ausgang der Senatsbildung in der Hauptstadt, dass sie sich – natürlich bei erheblichen Zugeständnissen – auch im Bund auf die SPD verlassen können. Am Ende jedenfalls. Ob nun mit Friedrich Merz, Markus Söder oder Hendrik Wüst als Kanzlerkandidat. Scholz hätte sich zu entscheiden, ob er dann Stellvertreter sein möchte. So wie nun Giffey. Adieu!
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