Schwere Sorgen machen wir uns alle über den abgrundtiefen Riss der sich in unserer grünen Linken aufgetan hat. Warum klebt sich unsere Annalena Baerbock nicht für die Umwelt mit auf die Autobahn in Berlin? Warum anerkennt Luisa Neubauer nicht, wieviel Annalena mit Kompromissen in Brüssel und in New York für unsere Umwelt herausholt? Und warum haben die doch sonst so woken deutschen Qualitäts-Medien kein Verständnis für die Letzte Generation, wenn sie auf stressigen Autobahnen für Ruhepausen sorgt und verschlafene Museen mit linker Kreativität weckt?
Wahrlich ich sage euch: So schwere Sorgen macht man sich mangels Bildung. In diesem Fall sogar mangels deutscher Bildung. Schon in der tiefsten Kaiserzeit, im Frühjahr 1910, hat ein Klassiker der deutschen Soziologie eben diese unsere anscheinend neueste Sorge erhellend zu Ende gedacht: Robert Michels. „Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie“ ist der harmlose Titel seines Buches, das dennoch eine solche Sensation auslöste, dass es alsbald in alle Sprachen übersetzt wurde. Auf englisch wird es noch heute in Amerika gelesen. Von uns auf deutsch nicht mehr. Es ist ja nur wilhelminische deutsche Bildung.
Was aber ist so zeitlos sensationell an Michels? Er hat die Risse studiert, die damals durch Europas Linke gingen. Und er ist dabei auf ein Gesetz der Biologie gestossen, ein Ehernes biologisches Gesetz, das sich damals nicht leugnen liess und sich auch heute nicht weggendern lässt: Biologisch unabwendbar altert jeder Mensch, sogar ein Linker altert. Und ist er einmal alt, so denkt und handelt er anders als in jungen Jahren.
Der Junge ist erfüllt von Idealismus. Darum will er die Realität ändern. Sie entspricht ja keineswegs dem linken Ideal. Der Alte weiss, dass Macht mehr bewirkt als Idealismus. Wer auch nur ein bisschen etwas ändern will, braucht Macht. Das Grundgesetz der Machtausübung aber ist der Kompromiss, ganz oben ausgehandelt im kleinsten Kreis. Zum Beispiel zwischen unser aller Annalena, unser aller Robert, unser aller Christian und unser aller Olaf. Als habe er persönlich in Berlin im Stau der Letzten Generation gesessen, schliesst Michels anno 1910: „Und dieses grausamen Spieles zwischen dem unheilbaren Idealismus der Jungen und der unheilbaren Herrschsucht der Alten ist kein Ende. Stets neue Wellen stossen gegen die stets neue Brandung. Das ist die tiefinnerste Signatur der Parteigeschichte.“
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner überaus freundlichen Genehmigung.
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