Das Ende der EU könnte schneller nahen, als die meisten ahnen

In ca. einem Jahr ist die nächste Wahl zum Parlament der Europäischen Union (“Europawahl”). Ein grobmotorischer Überblick lässt das Schlimmste befürchten: einen Durchmarsch von Rechts. Sein Zustandekommen ist bestürzend einfach zu begründen: die asymmetrische Demobilisierung, dieses Mal ganz ohne Angela Merkel.

Wie kommichdrauf? Die angeblich oberste Europäerin bringt ein ähnlich voluminöses Skandal-Potenzial mit, wie unser von Warburg, Cum-Ex und Benko-Nähe beladener hamburgischer Bundeskanzler. Das finden Sie hier bei Thomas Pany/telepolis: Covid-Impfstoffe: Pfizer will Milliarden-Storno-Zahlung von EU – Nachverhandlungen über zu viel bestellte Impfdosen: Medienberichte über Angebot des US-Pharmakonzerns. EU agiert ohne Transparenz. Zum Stand der Dinge.” Martin Sonneborn mal gar nicht witzig. Inhaltlich ähnlich findet sich der gleiche Sachverhalt schon seit einigen Tagen bei Petra Erler, eine Autorin, die mehr über die EU weiss, als gesund ist.

Es ist vergleichsweise egal, was von diesen Skandalpotenzialen vor oder nach der Wahl von mächtigen Medien zur Explosion gebracht wird. Es ist längst da, wabert überall durch die Ritzen und untergräbt demokratische Legitimation, wie der Schimmel die Hauswände in Überschwemmungsgebieten. Die Menschen an Ahr und Erft wissen, was ich meine.

Links und Rechts gibt es dazu gegensätzliche Reaktionen und Methoden der Verarbeitung. Rechts dominiert das “Siehste!” und ein engagiertes Wählen von etwas, was dort für “Protest” gehalten wird. Links bis in die liberale Mitte der Europa-Fans dominiert das blanke Entsetzen, wie es so weit kommen konnte, warum niemand eingriff – und die o.g. Demobilisierung: was kann ich denn jetzt noch wählen? Nicht hinzugehen war bei der EU-Wahl schon immer eine weitverbreitete Art, damit umzugehen.

Dass Scholz ein Sozi ist und Flinten-Uschi eine CDU-Rechte, ist Teil des Problems. Die sind irgendwie doch alle gleich. Oder etwa nicht? Und agieren sie nicht in der EU genau so?

Diese politische Konstellation ähnelt sich in den grossen EU-Ländern Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien, die fast die Hälfte des EU-Parlaments besetzen. In Italien haben die Rechten schon die Regierungsmacht. In Frankreich sind sie kurz davor. Spaniens linke Koalition hat ähnliche innere Probleme wie die deutsche “Ampel”. Und in den kleineren Ländern Niederlande, Schweden, Dänemark und Finnland sind ebenfalls die Rechtsextremisten auf dem Marsch an die Regierungsmacht weit vorgedrungen, in Österreich liegt die skandalgewohnte FPÖ in Umfragen schon wieder auf Platz 1., während sich die Sozis selbst zerlegen.

Daraus wird folgen: “Brandmauern” zwischen Konservativen und Rechten werden, dort wo sie überhaupt noch existieren, niedergebrannt. Der Mauer- und Zäunebau gegen Migration – vorauseilend schon längst imgange – wird massiv verstärkt, egal was das politisch, moralisch und ökonomisch kostet. Die Ökonomie und Innovationskraft der EU wird dadurch massiv zurückgeworfen – die Technologie-Rücklichter Kaliforniens, Chinas oder Westafrikas werden kaum noch zu sehen sein. Gleichzeitig wird die Überwachung der eigenen renitenten Gesellschaften intensiviert – Peter Thiel, und wer immer unter ihm US-Präsident wird, willkommen geheissen.

Aussenpolitisch und in den kommenden Kriegen spielt die EU keine Rolle mehr – sie paralysiert sich selbst zwischen den US-Blinddarmen mit Putin-Angst, und den Putin-Fans. Ist dann auch nicht mehr so wichtig. Für USA und China ist dann nur noch die Erkenntnis relevant, dass Europa als politischer Faktor stillgelegt ist.

Und der Klimaschutz? In dieser Frage ist die EU bislang deutlich progressiver als Deutschland, das sich, wenn es ernst wird, in der EU von der FDP vertreten lässt. Das wird sich zum Schlechten ändern. Wer immer in den USA unter Peter Thiel gewählt wird, wird aus der EU wieder mehr Zustimmung ernten. Die Klimaleugner*innen der Welt vereinigen sich. Weil die Klimaschützer*innen politisch und ökonomisch zu doof für internationale Solidarität sind.

Widerspruch würde mich freuen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net