Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Netzwerke

Es werden jetzt verstärkt Grafiken veröffentlicht, die politische Netzwerke abbilden. Solche Netzwerke gibt es wirklich. Wie auch nicht. Wer in der Politik tätig ist, kommuniziert und interagiert mit anderen Akteuren. Etwa mit dem Öko-Institut in Freiburg oder mit Gazprom in Russland oder mit Unternehmen, die Mautanlagen bauen oder bei Diesel betrügen.

Die erste Frage wäre, worum geht es in diesen Netzen? Welches Projekt verfolgt man? Dekarbonisierung oder Rekarboniserung – oder was auch immer.

Die zweite Frage ist: Welche Fehler macht man damit? Und welche Größenordnung haben diese? Gibt man einem Autokraten augenzwinkernd Signale, dass er ruhig weiter machen kann mit einer Aggression gegen ein Nachbarland? Oder verpennt und verpeilt man etwas im politischen Alltagsgeschäft? Oder unterschreibt man vorzeitig und ohne Rechtssicherheit Autobahnmautverträge mit 500 Mio Schaden für die SteuerzahlerIn? Alle diese Sachen sind schlecht. Eine davon ist ultraschlimm. Alle müssten sanktioniert werden. Aber nur eine ist sanktioniert worden – vom gegenwärtigen Wirtschaftsminister.

Ein dritter Punkt ist die politische Kampagnen-Un-„Kultur“. Man braucht einige Einsicht in die politische-mediale Szene, um zu erkennen, ob jemand im medialen Betrieb auf einem „politischen Ticket“ surft – und wenn ja, auf welchem. Da ich nun seit ca. 20 Jahren in diesem Betrieb unterwegs bin, habe ich einen gewissen Blick dafür entwickelt. Ich weiß, welche ansonsten sehr geschätzten FeuilletonistInnen, Leute die in 90 Prozent der Fälle wirklich gut sind, sich in „wichtigen“ Momenten daran erinnern, auf welchem Ticket sie unterwegs sind. Man sollte kein Verschwörungstheoretiker sein, aber man sollte auch nicht naiv sein. Es wäre gut wenn man mehr über diese Ticket-Un-Kultur auch in den großen Medien lesen könnte.

P.S. Die gegenwärtige Debatte um die Wärmewende fing mit einem durchgestochenen Gesetzes-Vor-Entwurf von Habeck (Grün) und Geywitz (SPD) an. Die Durchstecherei kam aus dem Regierungslanger selbst. Insider vermuten das Kanzleramt hinter dem Foulspiel. Dann kam aus der SPD (v.a. von Schröders ehemaligem Büroleiter Klingbeil) die Anmerkung, dass die Grünen (also nicht auch Frau Geywitz) die soziale Problematik der Wärmewende nicht verstanden hätten und die SPD sich nun darum kümmern müsse. Dann kamen die Fehler von Graichen in die Debatte (die tatsächlich Fehler waren). Dann kamen SPD-nahe Talkerinnen (Maischberger), die etwa Tarek Al Wazir (der übrigens sehr klug agiert hat!) gegen Spahn setzten – mit der hochkritischen Frage: Macht hier etwa die Union eine Kampagne gegen die Grünen? Die Union-Kampagne gibt es und sie ist aus meiner Sicht denkbar doof. Und eigentlich dreifach doof, weil sie inhaltlich in die falsche Richtung geht, zweitens die AfD stärkt, drittens Spuren verwischt, denen man eigentlich näher folgen sollte. Aber die Union ist in diesem Fall nicht der eigentliche Kampagnentreiber.

P.S. P.S. Eine meiner sehr klugen Mentorinnen im politischen Gewerbe hat mir einmal den Satz eingeschärft: „Man muss wissen, woher es kommt.“ Ich verstehe immer mehr, was sie meinte. )-:

P.S. P.S. P.S. Ich glaube, die SPD bemerkt gar nicht, wie sehr sie sich gerade verrennt. Berlin, Bremen … GroKo – finis SPD.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.

Ein Kommentar

  1. Martin Böttger

    Ergänzung zum Intrigantenstadl: es gibt auch eine organisierte Guerillatruppe im BMWi selbst. Die Durchstiche gehen nach der Opferung von Graichen weiter, als wenn sie sich jetzt ermuntert fühlen. Ich bin immer auch für Selbstkritik: die Analyse kapitalmächtiger Widerstände der fossilen Industrien und ihrer willigen Vollstrecker*innen im Politbusiness war absolut unzureichend. Mit Idealismus kommt mann da nicht weit.

© 2024 Beueler-Extradienst | Impressum | Datenschutz

Theme von Anders NorénHoch ↑