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Betonklötze

Es war einmal eine Altstadt – Bad Godesberg

„Nicht die Bomber der Royal Air Force haben Bad Godesberg zerstört wie so viele andere Orte, nicht die heftigen Kämpfe um das Rheinland im Frühjahr 1945, vor denen es wundersam verschont blieb. Es waren die Stadtplaner. Jahrzehnt um Jahrzehnt, seit 1960, haben sie ihre Innenstadt verhunzt im Namen des Fortschritts und der Moderne. Wer heute durch die City wandert, gewinnt den Eindruck, diese sei eine Art Strafkolonie für die unbegabtesten Architekten der Nachkriegszeit gewesen.“ So stand es 2015 in der Süddeutschen Zeitung aus der Feder von Joachim Käppner.

Als Käppner über die Architekten-Strafkolonie herzog, kandidierte der heutige Direktor der deutschen UNO- Flüchtlingshilfe, Peter Ruhenstroth-Bauer, in der anstehenden OB-Wahl. Er sagte das, was Käppner brachial beschrieb etwas mehr „durch die Blume“ und ins Allgemeine verlängert, von ihm als „Bonner Krankheit“ benannt: …“Keine Entscheidungen, keine Perspektive, keine Projekte, die wirklich wichtig sind für die Zukunft dieser Stadt. Wir müssen die Stadtgesellschaft …mobilisieren!“

Als das so geschrieben und gesagt wurde, gab es bereits eine jahrelange Diskussion über die Bad Godesberger Verhältnisse. Botschaften verließen den Stadtteil oder hatten ihn bereits verlassen. Die Versorgungsqualität und die Versorgungsbreite durch Godesberger Geschäfte verringerte sich Jahr für Jahr.

Das Altstadt-Center funktionierte nicht. Einst beachtete Projekte wie die Arkadia-Passage verkamen. Es gab Übergriffe Jugendlicher, Vandalismus und wachsende Unsicherheiten im Zentrum des Stadtteils und in umliegenden Ortsteilen. Potenzielle Prunkstücke wie der Stadtpark spielten fast keine Rolle. Das begann sich erst wieder zu ändern, nachdem der Verein Bürger.Bad.Godesberg rührig wurde. Die traditionsreiche Stadthalle musste schließen, sie verfiel in einen Dämmerzustand. Neues, vor allem die Vorplatzgestaltung des Godesberger Bahnhofs, gelang nicht. Die Godesberger Seite des Rheins fiel im Vergleich zur Beuel-Königswinterer Seite immer weiter zurück. Das Spannendste, was man dort erleben kann, sind anlegende Schiffe, rudelweise auftretende ältere Menschen auf ihren elektrifizierten Fahrrädern und sich ein Eis kaufen oder Pommes essen. Und so weiter.

Die Debatte im Bonner Teil unter der Godesburg lief – wie soll Mensch schreiben – unter den Stichworten: sanieren, modernisieren, erneuern, verbessern, anpassen. Mittlerweile existiert ein Masterplan. Der wurde über Wettbewerbe gefunden, per Debatte zwischen den Fraktionen der Bezirksvertretung und per Erörterung in der Godesberger Bevölkerung weiterentwickelt. Nun geht dieser Plan wohl in die Schlussrunde, nachdem die lokale SPD-Bundestagsabgeordnete Jessica Rosenthal dankenswerter Weise in Berlin Steuergelder für die Verbesserung der Klimabedingungen in Godesberg aufgetrieben hatte.

Schaut man sich Ergebnisse der „Bonn macht mit“–Aktion an, bei welcher Bürgerinnen und Bürger sich zum Masterplan äußern, stellt man folgendes fest:

Den einen schwebt ein stärker begrünter städtischer Kern vor, der die Enge der zugebauten Verhältnisse gesprengt hat – mit einem Godesberger Bach, der leise murmelnd durch die Mitte fließen soll.

Anderen ist besonders wichtig, dass klotzige Betonbarrieren verschwinden, damit Frischluft aus den Tälern in den Rheinhöhen in die frühere Auenlandschaft längs Rheins fließen kann.

Wieder andere wollen dem früheren Diplomatenstadtteil mit seinen besitzbürgerlich geprägten Straßenzügen den alten Glanz zurückgeben.

Den einen fehlen Angebote für junge Familien (das ist nicht zu bestreiten), den anderen die Fachgeschäfte (dito), den dritten gibts zu viele Friseure und Döner-Imbisse (dito).

Viele eint der Wunsch, den CO2-trächtigen Individualverkehr zurück zu drängen und den Zweirad-Liebenden den Vorrang zu geben.

Die Geschichte der jahrelangen Erörterungen ist ein Lehrstück – und zwar in mehrfacher Hinsicht.

Erstens wird klar: Der Fortschritt in Bad Godesberg besteht darin, dass überhaupt etwas geschieht, nahezu unabhängig davon, was geschieht. Denn Bad Godesberg spielt im Verhältnis und in der Konkurrenz zu anderen Teilen Bonns eine minder gewichtige Rolle.

Zweitens: Eine gemeinsame Auffassung von Stadt ist nicht vorhanden. Was soll sie sein? Subzentrum für Kaufwillige? Kulturelles Zentrum? Ethnisches Vorzeige-Amalgam? Stadtteil im Besonderen für Junge, für Alte, für die dazwischen? Gesundheitsstadt? Anziehend für Touristen? Durchgangsstation für die Massen an Beschäftigten auf der Bonner Mitte mit ihren riesigen Dienstleistungs-Konglomeraten? All das zusammen? Das Institut für Handelsforschung (IFH) Köln analysiert die Attraktivität von Städten. Die 2018er Studie zeigte, dass die Bonner City weit vor Godesberg lag, Die IHK Bonn/Rhein-Sieg: „Die Ergebnisse zeigen, dass in Bad Godesberg dringender Handlungsbedarf besteht. Um die Aufenthaltsqualität zu steigern, müssen Gebäude und Fassaden aufgewertet, Plätze, Wege und Grünflächen gepflegt, Sehenswürdigkeiten saniert und sichtbarer werden.“ Und das ist nur ein Teil der Probleme in Bad Godesberg.

Drittens: Es rächt sich, dass die herrschenden Fraktionen während der vergangenen Jahrzehnte in Kombination mit einer schier beinharten und schwerlich zu belehrenden Verwaltung planungs- und städebaurechtlich fast nichts zu Wege gebracht haben. In einer zwischen Rheinhöhen und Flussbett eingezwängten Stadt wäre es vor allem dringlich gewesen, ein kommunales Vorkaufsrecht zu beschließen und zu praktizieren, wie die Stadt Ulm das beispielsweise hat und außerdem Milieuschutz-Satzungen durchzusetzen.

Viertens wurde nicht gepflegt und verbessert, was man hat. Das gilt für das seit Jahren fehlende Kurfürstenbad, für die Sanierung der Stadthalle im Schneckentempo, für den Leerstand von Teilen der Kurfürstlichen Zeile, für Burgschule und anderes mehr.

Schließlich und fünftens: Neues muss in Angriff genommen werden. Neues kommt nicht von selbst in die Städte. Man muss sich darum kümmern – was freilich kaum funktionieren kann, wenn die Spitze der Stadt einen Stadtteil wie nachrangig behandelt.

In Godesberg fehlt – ein Beispiel – an einem zentralen Punkt der Raum für Gründerinnen und Gründer in den verschiedensten Bereichen.

In Godesberg fehlt Verständnis für die Folgen der Gesellschaftsalterung. Die künftige Versorgung der wachsenden Zahl alter Menschen kann eine enorme wirtschaftliche Chance bieten. Der Stadtteil müsste damit anfangen, seine Infrastruktur und die Angebote in Geschäften aus der Sicht der alten Menschen zu betrachten – und in diese Richtung zu ändern. Da tut sich in Bad Godesberg nichts bis auf das Bekenntnis zur Barrierefreiheit.

Über Klaus Vater / Gastautor:

Unter der Kennung "Gastautor:innen" fassen wir die unterschiedlichsten Beiträge externer Quellen zusammen, die wir dankbar im Beueler-Extradienst (wieder-)veröffentlichen dürfen. Die Autor*innen, Quellen und ggf. Lizenzen sind, soweit bekannt, jeweils im Beitrag vermerkt und/oder verlinkt.

4 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Das Kompliment für die Beueler Rheinseite teile ich. Mir scheint dabei in den letzten Jahrzehnten die integrative Kraft der Beueler Gewerbegemeinschaft eine wichtige Rolle gespielt zu haben – ohne viel Aufhebens auch mit migrantischen Unternehmen und Publikum. Das sah mir – aus der Ferne – in Godesberg eher polarisiert aus, was seiner gesellschaftlichen Entwicklung und Eigenaktivität nicht förderlich war.
    Im Streit um die Verkehrswende im Stadtteil hat unsere Gewerbegemeinschaft mittlerweile stark an integrativer Kraft eingebüsst. Viele begreifen Veränderungen dieser Welt eben erst später. Dafür ist unsere Stadt ja bundesweit berühmt. International wird sie dagegen besonders für ihre Sicherheit geschätzt. Da werden manche staunen – aber es ist so.

    • Rolf Sachsse

      Das Kompliment für Beuel ist ein wenig vergiftet: Dort hat man mit dem Konrad-Adenauer-Platz genau denselben Fehler begangen wie 1969 der Herr Brüse mit dem Restgeld eines reichen Vororts kurz vor der Eingemeindung nach Bonn, nur gute 45 Jahre später – wie schön wäre eine Wiederbelebung des Beueler Stadtgartens an eben jener Stelle gewesen statt des kaum mehr vermietbaren Keramikkubus. Eigentlich war es in Beuel auch nur die Dusseligkeit eines Hans Steger, die nicht zum selben Fehler geführt hat, die Vorstadt hochzuklotzen, dazu fehlte die Vision, die in Godesberg (damals auch noch keine 40 Jahre lang Bad) als Hybris heute kaum mehr reparierbar erscheint.

  2. Rolf Sachsse

    Das Kompliment für Beuel ist ein wenig vergiftet: Dort hat man mit dem Konrad-Adenauer-Platz genau denselben Fehler begangen wie 1969 der Herr Brüse mit dem Restgeld eines reichen Vororts kurz vor der Eingemeindung nach Bonn, nur gute 45 Jahre später – wie schön wäre eine Wiederbelebung des Beueler Stadtgartens an eben jener Stelle gewesen statt des kaum mehr vermietbaren Keramikkubus. Eigentlich war es in Beuel auch nur die Dusseligkeit eines Hans Steger, die nicht zum selben Fehler geführt hat, die Vorstadt hochzuklotzen, dazu fehlte die Vision, die in Godesberg (damals auch noch keine 40 Jahre lang Bad) als Hybris heute kaum mehr reparierbar erscheint.

  3. Rolf Sachsse

    Das Kompliment für Beuel ist ein wenig vergiftet: Dort hat man mit dem Konrad-Adenauer-Platz genau denselben Fehler begangen wie 1969 der Herr Brüse mit dem Restgeld eines reichen Vororts kurz vor der Eingemeindung nach Bonn, nur gute 45 Jahre später – wie schön wäre eine Wiederbelebung des Beueler Stadtgartens an eben jener Stelle gewesen statt des kaum mehr vermietbaren Keramikkubus. Eigentlich war es in Beuel auch nur die Dusseligkeit eines Hans Steger, die nicht zum selben Fehler geführt hat, die Vorstadt hochzuklotzen, dazu fehlte die Vision, die in Godesberg (damals auch noch keine 40 Jahre lang Bad) als Hybris heute kaum mehr reparierbar erscheint.

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