Technologieoffenheit besitzt laut FDP ein großes wirtschaftliches Potential. Deshalb fordert ein Beschluss ihres Bundesparteitags die gesetzliche Verankerung eines „Technlogie-freiheitsprinzips“. So kommt die Forderung nach Freiheit, ein früheres FDP-Markenzeichen, auf einem Umweg wieder ins Parteiprogramm. Obwohl nicht ganz klar ist, was die Forderung soll. Gibt es denn jemand, der die Freiheit der Technologie angreift? Laut FDP werden offenbar „Kreativität und Erfindergeist durch politische Verbote gehemmt“. Wie und wo die Technologiefreiheit gesetzlich verankert werden soll, wurde noch nicht gesagt.

Nun gibt es also eine Partei, die sich Technologieoffenheit auf die Fahne geschrieben hat. Politische Entscheidungen werden nach dem Kriterium bewertet, ob sie technologieoffen sind oder nicht. Liberalismus war wohl ein behäbiges und wenig attraktives Überbleibsel aus der Vergangenheit. Jetzt gilt Technologieoffenheit als modisches Synonym für Fortschritt und hilft vielleicht sogar dabei, Meinungslosigkeit oder Strategieunfähigkeit zu verdecken

Offenbar hat die FDP mit ihrem neuen Slogan einen Volltreffer gelandet. Während Technologieoffenheit bis vor kurzem ein Begriff war, der fast nur in Fachkreisen verwendet wurde, nutzen ihn inzwischen auch die anderen Parteien gern schon mal. Wahrscheinlich, weil sie nicht hinterwäldlerisch wirken wollen. Wer will schon den Eindruck erwecken, er sei nicht ideologiefrei und gegen Technologie und Offenheit. Selbst die Medien haben das Thema aufgegriffen, immer wieder taucht es in Talk-Shows auf. Technologieoffenheit ist zu einem geflügelten Wort geworden. Dass der Begriff gern von Interessengruppen im Energie- und Mobilitätssektor eingesetzt wird, darf daher nicht verwundern.

Natürlich sollte man sich nicht festlegen, wenn noch unklar ist, welche Technologie sich als optimal erweist. Doch dürfen dabei die möglichen technologiespezifischen Nachteile wie Effizienzkriterien und Durchsetzungschancen nicht beiseite gedrängt werden. Offenheit für neue Technologien ist zum Beispiel dann nicht geboten, wenn die Machbarkeit technisch oder zeitlich fraglich ist, wenn die Entwicklung nur mit öffentlichen Subventionen leistbar ist oder wenn der Realisierung rechtliche, soziale oder ökologische Vorschriften entgegenstehen.

Parallel zur Begeisterung über neue Technologien muss eine Abschätzung ihrer Risiken erfolgen. Gerade unter finanziellen Gesichtspunkten ist dies unverzichtbar. Eine einseitige Festlegung auf neue Technologien kann zu einer Fehlallokation von Investitionsmitteln führen und die Forschung und Entwicklung in anderen Sektoren beeinträchtigen oder gar stoppen. Wir sehen das beim Klimaschutz. Der Slogan „Klimaschutz – aber technologieoffen“ entpuppt sich schnell als getarntes Plädoyer für die Weiternutzung von Öl und Gas.

Die FDP verbindet die Forderung nach Technologieoffenheit gern mit eigenen politischen Anliegen. Sie bleibt dann also selbst gar nicht offen. Auch nutzt sie die Forderung nach Technologieoffenheit dazu, aktuelle politische Absichten oder unbequeme technische Vorschläge Dritter anzugreifen. Es gibt gewiss bald Besseres, heißt es dann, das man nicht blockieren dürfe. Sobald man sich solchen Zukunftsperspektiven konkret widmet, stellen sie sich oft als unrealistisch oder gar unseriös heraus. Technologieoffenheit wird damit zur Strategie des „Weiter so“ und zur Ideologie.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.